Die Szene, die mir gestern im Café Less Political in Hamburg widerfahren ist, ist so absurd, so stereotyp, dass eins fast meinen könnte, ich hätte sie mir für einen Feminismus 1×1-Workshop ausgedacht.

Ich begebe mich jedenfalls hinein in den Laden, um mir einen Brownie zu holen, als mich ein Angestellter meines Alters nach der Aufnahme der Bestellung fragt, warum ich denn heute in Hamburg sei. Dass ich keine Deutsche bin, war ihm wohl aufgefallen. Kurz überlege ich, irgendetwas zu sagen, spreche dann aber doch den wahren Grund an, nämlich dass ich bei Rowohlt war, um meine erste Deadline festzumachen und dass ich ansonsten in Berlin wohne, aber auch froh bin, meine Freunde heute hier treffen zu können.

Und dann, kommt der Bummer. Er fragt mich, ich zitiere: “Ach, bist du wirklich so gut – oder hast du dich hochgeschlafen?” Der Satz muss erstmal sacken. Hipsters saying stuff like that. 2017.

Ich schaue ihn verdutzt an, was ihm immerhin noch ein „War nur ein Scherz! Hihi!“ hervorlockt, bevor er verunsichert zu seinem Chef – der im Übrigen direkt daneben stand – hinübersieht. Dass ich seinen Spruch ganz und gar nicht lustig finde, kontert er mit einem: “Ach, so ist der Hamburger Humor eben, verstehst du keinen Spaß?”

So ist der Hamburger Humor eben? Okay, gut zu wissen, liebe Hamburger – ist das wirklich so?

Erstmal bin ich perplex, höre nur noch, dass mir der Brownie nach draußen gebracht wird, gehe hinaus und setze mich zu meiner Freundin Caren. Erzähle, was mir gerade widerfahren ist. Als der Brownie kommt, konfrontiert meine Freundin den Besitzer. Er ist verständnisvoll und sieht das Problem ein. Anders als der Betroffene, der wenig später ebenso hinauskommt und etwas davon labert, dass er “durchaus das Problem des Sexismus in der Gesellschaft erkannt habe” und dass er “sich auch aktiv dagegen einsetze.” Und das vorhin? Das war DOCH NUR EIN SCHERZ. Ja?

ARE YOU FUCKING SERIOUS? Nur weil du in einem hippen Hamburger Szeneladen arbeitest und deine Röhrenjeans bei Cheap Monday kaufst, heißt das nicht dass du dich von deinem sexistischen Kackverhalten emanzipiert hast. Offensichtlich, sonst würdest du nicht vor uns stehen und allen Ernstes behaupten, dass ausgerechnet DU etwas gegen Sexismus tun würdest. Wo denn? Du hast mit deiner Frage Sexismus reproduziert, eine Frau – nämlich in diesem Falle mich – öffentlich in einem Café mit einem Klischee konfrontiert, wogegen sich Frauen in Führungspositionen und in anderen „erfolgsbehafteten“ Metiers herumschlagen müssen und behauptest, dass das nur ein lustiger, bubenhafter, hamburg’scher Scherz gewesen sei? Ein Scherz auf wessen Kosten, frage ich mich? Wie kannst du das nicht erkennen?

Später sagt er noch, er habe sich doch auch bei Rowohlt beworben und sie hätten ihn nicht angenommen. Sowas sei eben nicht leicht! So, so. Bedeutet das im Umkehrschluss dass man andere, die genommen wurden, abwerten muss oder kannst du es einfach nicht glauben, dass eine Frau in dem was sie tut besser ist als du? Your masculinity so fragile? Kannst du nicht einfach gratulieren oder, wenns sein muss, deinen Mund halten?

Während Caren und ich mit ihm diskutieren, unterbricht uns ein Mann von einem anderen Tisch und schreit, dass er sich von unserer mittlerweile sehr lauten Diskussion gestört fühlt. Er würde jetzt auch gerne was dazu sagen und wir wären ja wohl offensichtlich nicht an einer Debatte interessiert, so, wie “wir uns hier aufführen”. But, wait: You’re calling out the wrong ones. Eine andere Frau, die wissen möchte, was passiert ist, erklären wir erneut die Situation. Ihre Reaktion: Ach, naja, wir seien “doch emanzipierte Frauen”, da könne man doch auch mal über etwas hinwegsehen, nicht? Sei doch wirklich lustig gewesen. Also, was das ganze Getue jetzt soll.

Bianca und Caren trinken ihren Kaffee jetzt lieber zuhause

Wie frech kann man sein, das Geschehene als Außenstehende irgendwie rechtfertigen zu wollen? Traurig, dass auch Frauen die patriarchale Abwertung weiblicher Kreativarbeit mitstützen. Eine Entschuldigung des less political-Chefs kam, aber wirkte eher halbgar. Weder er noch sein Mitarbeiter sahen ein, weshalb die Aussage sexistisch war. Man solle es mit Humor nehmen. Der Chef schien um das Image seines Ladens zu fürchten. Der Mitarbeiter sagte, dass Sexismus ein Problem sei, war aber auf Carens Frage sprachlos, wie sich dieser in der Gesellschaft äußere. Er wolle ja verstehen. Caren ruft “We don’t owe you shit!” und sagt dem Chef, dass sie in diesem Laden keinen Cent mehr lässt und das Team eine Antisexismusschulung machen soll.

Wenn du als Frau sagst, dass du schreibst, belächeln Männer die Medien, für die du schreibst. Wenn du aber plötzlich bei einem Prestigeverlag publizierst, glauben sie nicht, dass es so weit kommen konnte. Die fragile Maskulinität klammert sich an den Strohhalm: „Du kannst nix, also MUSST du Sex mit jemandem gehabt haben, um dort anzukommen, wo du bist!“, weil sie Angst davor hat, den privilegierten Zugang zu prestigeträchtiger Arbeit, in diesem Fall der des Schreibens, zu verlieren. Angst davor, gesellschaftlich abgehängt zu werden.

Das Schlimmste an der Geschichte ist nicht nur, dass das erste Mal im realen öffentlichen Raum meine Fähigkeiten als schreibende Frau in Frage gestellt wurden, sondern dass die Zivilgesellschaft um mich herum auch noch der Meinung war, es “sei schon in Ordnung”, was mir da widerfahren ist. Dass mich ein Mann, der mich am Tresen bedient, öffentlich beleidigen darf.

Danke, liebes “less political” – der Name scheint bei euch wohl Programm und die Kundschaft gleich passend dazu mitgewachsen. Statt in euren Kaffee könntet ihr einmal in eine Antisexismusschulung investieren, in der eure Mitarbeiter lernen dass sie nicht Teil der Lösung, sondern leider Teil des Problems sind indem sie Frauen aus dem Nichts vor den Kopf stoßen.

THX bye.

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