Erinnerst du dich an das letzte Mal, als du etwas Hochwertigeres gekauft hast, ohne erst die Produktbewertungen zu lesen? Akkulaufzeit, Megapixel, Speicherplatz. Dich für ein Hotel entschieden hast, ohne nach Stunden auf holidaycheck.de in Erfahrung gebracht zu haben, ob sich Baustellen in unmittelbarer Schlafzimmernähe befinden? Check, check. Eine Person, die du nicht schon vor dem nächsten Treffen auf ihre Smiley-Konventionen im Kommentarbereich und schlecht belichteten Selfies ausgeforscht hast? Exfreundinnen, Musikpräferenzen, Lieblingslokale.

Was für Urlaubsdestinationen und die neuen Kopfhörer durchaus Sinn macht, ist im zwischenmenschlichen Bereich vor allem eines: anstrengend. Als Mensch, der – wenig überraschend – selbst gerne Leute aus „dem Internet“ kennenlernt und nicht verkrampft zwischen „online“ und „offline“ unterscheidet, überkommt mich manchmal das Gefühl, dass ich zu viel weiß. Und das hat wenig mit Stalking zu tun. Indem wir einem Menschen Zutritt zu Profilen gewähren, die wir täglich nutzen, entsteht ganz automatisch eine neue Sphäre der Interaktion. Gut, außer man hält an seinem 2002 entwickelten Mediennutzungsverhalten fest. In dem Fall besitzt du wahrscheinlich auch noch ein Tageszeitungsabo, ohne im Journalismus zu arbeiten. #fail

vielleichteherneinsichernicht

Freundschaftsanfrage bestätigen. Plötzlich gibt es mehr als die unmittelbare Gegenwart, die euch immerhin dazu animierte Körperflüssigkeiten auszutauschen. Man nennt das (nein, nicht das andere) Vergangenheit. Campen 2010, nach der bestandenen Matura. Diese eine Party 2011, bei der du mit Valentin und Barbara Karaoke gesungen hast. 2012 hast du dir die Haare geschnitten, mit deinem Freund aus der Schulzeit Schluss gemacht und bist für ein Praktikum nach München. Natürlich, man kann seine Social Media Profile zensieren, ältere Beiträge löschen oder erst gar nichts posten. Aber – und hier darf mir kein Kulturpessimist widersprechen – bleibt Facebook ein notwendiges Medium beim Etablieren neuer Beziehungen. Lasst mir eure gut gemeinten Ratschläge in den Kommentaren zukommen, wenn ihr es besser wisst, aber wie soll man ohne privater Veranstaltungsinfo an irgendetwas partizipieren? Soll ich rausgehen, und ein bisschen an den Wänden schnuppern?

Ein Mensch, den ich zufällig aus „diesem Internet kenne“, und ich sind vorgestern zu der Feststellung gelangt, dass spontan überhaupt nichts mehr passiert. Also abseits der Nächte, an denen die neuen Menschen in dein Leben treten. Irgendwoher müssen sie ja kommen, wenn du dich nicht auf Tinder beschränkst.

Ich bin sicher die Letzte, die sehnsüchtig auf ein Comeback des Telefonats wartet. Aber das Wochenende zwischen diversen Plattformen hin- und herzuswitchen, um über Ausgehpläne informiert zu werden, halte ich auch nur bedingt für das Flüssige vom weichen Ei. Dabei würden wir so gerne mal abends rausgeklingelt werden. Ohne Ankündigung. Keiner kennt unsere Adressen.

Während ich mir sagen ließ, dass Generationen vor meiner tagelang nicht das Haus verlassen konnten, wenn sie auf den Anruf dieser einen Person warteten, hat mich die vielzitierte Freiheit, die unter dem Pseudonym „Unverbindlichkeit 2015“ ihr Unwesen treibt, schon mittelhäufig ans Ende meiner Geduld gebracht.

Was wäre, hätten wir ein Wochenende weder Whatsapp noch Twitter noch Facebook – und trotzdem Lust, auszugehen. Nada, vermutlich. Würde überhaupt jemand auf die Idee kommen, anzurufen? Wie lange kann man nicht antworten, ohne als vermisst zu gelten? Wahrscheinlich würden wir Stunden zuhause im Bett herumlungern, mit dem Laptop auf unserem mit Marshmallows gefüllten Bauch.

Das Warten auf einen Zeitpunkt, an dem vielleicht irgendetwas auf deinem Bildschirm aufploppen könnte, führt eine entspannte Lebensführung abseits des selbstgewählten Rückzugs ins letzte Jahrtausend ad absurdum. Treffen wir uns Rathaus Neukölln oder doch Kotbusser Tor? Gehen wir ins 60hz oder ins Monarch? 22:30 oder Mitternacht? Kommst du oder doch nicht?

Vielleicht. Eher nein. Sicher nicht. Ich hätte gerne eine App auf meinem iPhone, die mir nur dann eine Nachricht zukommen lässt, wenn die Entscheidung bereits getroffen ist. Die mich aus dem langwierigen Prozess des verzögerten Antwortens und Planens ausklammert und mich dann via Megaphon ausrufen lässt, wenn es soweit ist.

Und ich würde dann hinfahren, einfach so.

Vielleicht.

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