thebigc

Da ich die letzte Woche überwiegend krank im Bett verbringen durfte, musste dringend eine neue Serie her. Wann hat man sonst die Zeit, sich gleich eine ganze Staffel auf einmal reinzuziehen? Nach einer kurzen Recherche (GIRLS Kompatibilität 89 %) bin ich auf den Trailer von The Big C gestoßen und war – für den ersten Moment – so weit überzeugt, dass ich das “Wagnis Neue Serie” eingehen würde: Das wird sie sein. Die Serie, die läuft, während ich mir die Seele aus dem Leib spucke. Hauptprotagonistin Cathy Jamison, gespielt von Laura Linney, hat Krebs im vierten Stadium. Diese Tatsache war gleich zu Beginn das erste, was mich an der Spannung des Handlungsstrangs hat zweifeln lassen. Krebs? Nicht schon wieder jemand, der nur noch “XY” Tage zu leben hat und jetzt, auf den letzten Drücker, sein irdisches Dasein “umkrempeln und in vollen Zügen genießen möchte”. Jedenfalls ist der Fakt für den Verlauf der Serie unabdingbar, wie auch immer man dazu stehen mag. Die Highschool Lehrerin Cathy ist seit fünfzehn Jahren mit Paul verheiratet, gemeinsam haben sie einen 14-jährigen Sohn, Adam. Die Familie lebt in einem idyllischen amerikanischen Vorort, Haus und Garten inklusive. Dass Cathy erkrankt ist, möchte sie vorerst für sich behalten. Sie möchte kein Mitleid, keine übertriebene Fürsorge, keine anteilnehmende Familie. Stattdessen will Cathy sich andere Wünsche erfüllen, die sie – zumindest materiell – befriedigen könnten. Ein Pool wäre nett, oder eine neue Couch. Das Geheimnis für ein glückliches Leben scheint mir etwas zu neoliberal aus der Luft gegriffen, aber gut. Nebenbei erkennt Cathy, dass sie nicht mehr mit Paul zusammen sein möchte. Der wiederum versteht den plötzlichen Sinneswandel nicht und versucht alles, um Cathy zurückzubekommen. Zumindest bis sich eine Freundin aus alten Zeiten an ihn ranschmeißt. Nebencharaktere sind die 79-jährige Nachbarin Marlene (Phyllis Somerville), die Cathy zu Beginn nicht besonders leiden kann, Rebecca (Cynthia Nixon), eine alte College-Freundin, und Todd (Reid Scott), Cathys Onkologe.

Was für die Serie spricht, sind Laura Linneys Schauspielkünste. Es passiert selten, dass jemand seine Rolle in einem Comedy-Drama derart authentisch spielt, dass man meinen würde, der Charakter sei echt. Dieser Humor! Großartig, das darf bitte nicht gespielt sein. Zudem hat Cathy weder in ihrem privaten noch beruflichen Umfeld Scheu, ihre Meinung zu äußern. Eine starke Frau, wie man sie besser nicht hätte skripten können. Trotz mangelnder Empathie liegt ihr viel am Wohl ihrer Mitmenschen. Als sie ihren Sohn beim Pornos schauen erwischt, setzt sie sich zu ihm, und erklärt ihm die Unterschiede zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Dass Adam auf die mütterlichen Sexualtipps nicht unbedingt begeistert reagiert, verleiht der Serie Realitätsnähe. Auch das darauf folgende Gespräche zwischen Cathy und Paul, in dem Cathy das eben Geschehene thematisiert, lässt einen grinsend vor dem Bildschirm zurück. Die Charaktere haben Tiefe, ihre bewundernswerten als auch schwachen Momente; zeigen Gefühl und haben innerhalb der Staffel genügend Spielraum, um sich persönlich weiterzuentwickeln. Vor allem letzteres wird doch gerne as Gradmesser für die Qualität eines Drehbuchs herangezogen, oder etwa nicht? Als großer ehemaliger Sex and The City Fan war ich überrascht und erfreut über den plötzlichen Auftritt von Miranda, Entschuldigung, Rebecca. Auf den ersten Blick habe ich sie fast nicht erkannt. Es kann nur an Nixons Talent liegen. Mit zwei sympathischen Schauspielerinnen, Linney und Nixon, macht jede Serie gleich um einiges mehr Spaß.

Jetzt zum Aber. Obwohl mich die Serie durchaus zum Lachen gebracht hat, kann ich nicht sagen, dass man sie unbedingt gesehen haben muss. Die Probleme drehen sich um Alltägliches, die Dramen halten sich in Grenzen. Ja, Cathy möchte sich von Paul trennen. Nur, wo ist das Besondere dabei? Adam geht auf seine erste Party und trifft Schulfreunde. Okay. Cathy unterrichtet an einer High School und nimmt sich eines übergewichtigen, schwarzen Mädchens an. Spätestens hier wird den FataktivistInnen schlecht werden. Cathy versucht das dicke Mädchen mit Geld (“I will pay you 10 bugs if you …”) dazu zu bringen, endlich etwas für ihre Figur zu tun. Gesünder zu essen, Sport zu machen. Als Cathy ihren Supermarkteinkauf erledigen möchte, sieht sie Andrea mit einer Chipstüte (Klischee!) um den Block laufen. Sie entreißt ihr die Chipstüte und fängt an, zu predigen. Dass Cathy dem “all american lifestyle” selbst verfallen ist, scheint die AutorInnen der Serie nicht zu stören. Den fetten SUV muss man schließlich noch haben, bevor man stirbt. Was gibt es besseres, als sich damit den letzten Wunsch zu erfüllen?

Dass Cathy noch in etwa ein Jahr zu leben hat, wird selten thematisiert. Die meiste Zeit ist Cathy damit beschäftigt, für ihren Sohn da zu sein, den Umgang mit Paul zu normalisieren, das erste Mal Ecstasy zu nehmen. Was? Ja, sowas sollte man doch auch probiert haben! Wenn schon, denn schon. Sex in ihrem unvollständigen Poolloch zu haben. Um an dieser Stelle nicht weiter zu spoilern: Die Realität der Krankheit hat Cathy noch lange nicht erreicht. Das vielleicht Unauthentischste an der Serie.
Bei der nächsten Grippe werde ich mir Season 2 ansehen. Falls GIRLS Season 4 bis dahin noch nicht draußen ist.

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