Ich habe den prosaischen Text „Was du mir hinter ihrem Rücken sagst“ geschrieben, um zu verdeutlichen, wie polyamor lebende Männer über die Frauen sprechen, mit denen sie schlafen.

Damit möchte ich auf die Hierarchien, Dynamiken und Gefahren aufmerksam machen, die damit einhergehen, polyamore Cis-Männer im Patriarchat zu lieben, in das eigene Leben zu lassen und ihnen Raum zu gewähren. Ich sage nicht: all men, aber: many men are trash. Gerade, wenn sie den Begriff „polyamor“ verwenden, um sich Zugang zu weiteren Ressourcen zu verschaffen.

„Mir fällt dazu ein Trend unter heterosexuellen Männern ein“, schreibt auch die Autorin und Politikwissenschafterin Emilia Roig, „die sich vermehrt auf Dating-Apps als polyamor bezeichnen, obwohl sie die emotionale Arbeit nicht auf sich nehmen, die bei Polybeziehungen – wie bei allen anderen Beziehungsformen – unerlässlich ist.“

Das ist auf unterschiedlichsten Ebenen problematisch und wir müssen endlich anfangen, darüber zu sprechen.

Ich habe bewusst eine Perspektive gewählt, die die Erzählerin nicht auf den ersten Blick offenbart. Inwiefern ist sie mit dem Mann involviert? Ist sie mit ihm befreundet? Und: Warum erzählt er ihr solch grauenhafte Dinge über seine neue Freundin?

Ich habe einen Teil des Textes vertont und inszeniert. Du kannst es hier sehen.

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„Weißt du, ich habe keine Lust für Prostituierte zu bezahlen. Deshalb nutze ich die Apps“, sagst du zu mir und wartest auf Verständnis. Da ist gerade eine, die steht total auf dich. Mitte 30, tätowiert, schwarze Haare. Sie gibt sich echt Mühe. Die Chance musst du nutzen, schließlich sind nicht alle Frauen so.

Ja, denke ich mir. Nicht alle Frauen fallen auf dich rein, auf dein harmloses Auftreten. Das Gesäusel eines Deutschen. Manche verlassen dich gleich nach dem ersten Treffen, weil du eigentlich nichts zu sagen hast. Weil sie besser gelernt haben als ich, Unaufrichtigkeit gleich beim ersten Auftreten zu erkennen.

Aber nicht diese Frau, sie wird auf dich warten. Auch, wenn du zwei Wochen lang untertauchst. Sagst, dass du keine Zeit hast, denn du bist bei der Frau, die du liebst. Du verbringst seit Jahren jeden Morgen mit ihr, und fast jede Nacht. Du stapfst durch ihre Wohnung und verlangst Frühstück wie ein Kaiser, dabei wäre es längst an der Zeit, deine Königin zu bedienen.

Aber du tust nichts, denn du weißt, es wird sich eine finden. Es wird wieder eine geben, die sich in deine Art, das Leben zu verdrängen, verliebt. Die es lieben wird, sich um dich zu kümmern. Wie ein hilfloses, kleines Kind. Eine Sozialarbeiterin mit ihrem ganz privaten Case.

Du erzählst mir monatelang, dass es nur Sex ist. Sex, den gibt es jederzeit. Täglich. Du musst dich bei ihr kein bisschen anstrengen. Sie kommt von selbst auf dich zu. Doch riechen kannst du sie nicht, sagst du ein bisschen angeekelt. Und es liegt nicht an der Tatsache, dass sie raucht. Sie ist ganz einfach nicht dein Typ, nicht so wirklich. Da „fehlt“ was. Körperlich. Und vom Gefühl her. Aber es reicht, um jede Woche ein bisschen Bewunderung abzuholen und ihre Lieblings-Rezepte auszuprobieren.

Sie kocht gut.
Sie hat immer Zeit für dich.

Du magst, dass sie kein Geld hat. Das verbindet, meinst du. Es hat dich wohl schon länger gestört, von mir zum Essen eingeladen zu werden. Außerdem ist sie nicht so schlau, nicht so schlau wie andere Frauen in deinem Umfeld, die dich klein fühlen lassen. Die dir subtil das Gefühl geben, unterlegen zu sein. Bei ihr musst du nicht so tun, als interessiert dich das Kulturjournal. Du kannst mit ihr Til Schweiger Filme schauen, ohne dich dafür zu schämen. Ohne an der Debatte teilzuhaben, denn wenn es darauf ankommt bist du ganz und gar unpolitisch. Mit ihr sitzt du in einer sicheren Höhle und machst Horoskop-Analysen. Weit weg von deinen Sachen fängst du an dich parasitär in ihrem Zuhause einzunisten.

Sie fängt an dich zu nerven, sagst du mir, jetzt hat sie schon wieder wegen dir geweint. Weil du nicht da bist, weil du bei der Frau bist, die du liebst aber die will dich nicht mehr, nicht so. Aber daran arbeiten willst du auch nicht, deshalb nimmst du das, was du kriegen kannst. Auch, wenn du mir versicherst, dass du mit ihr keine Beziehung willst. Die Auswahl ist schließlich, wie wir beide bereits festgestellt haben, begrenzt.

Du musst schon die Traumatisierten treffen und auswählen, denn auf diesem Spielfeld machst du alle Schachzüge. Du bist stets einen Schritt voraus, du bist hot und cold, du kannst nicht kommunizieren, du drückst dich nicht aus. Du weißt nicht, was du möchtest, du lässt für dich entscheiden. Du rufst mich an, um dir die Wahl zu erleichtern.

Ich frage, ob du wenigstens glücklich bist und du sagst nein. Nächste Woche ziehst du bei ihr ein. Du sagst, du möchtest frei sein. Aber so mit dem Mietesparen ist es letzten Endes auch wieder fein.

Ja, in ihrer Vorstellung habt ihr gemeinsam wahrscheinlich schon viel erreicht. Sie räumt in diesen Minuten deine Boxen in das Mietauto ein.

800 Kilometer zwischen uns und du versicherst mir am Telefon, dass du sie nicht liebst. Eigentlich bist du gerade selbstdiagnostiziert depressiv. Aber du bist auch gerne mit ihr oder zumindest lieber als alleine. Sie wird jetzt deine Therapeutin, deine Freizeitbeschäftigung und deine safe base in einem sein. Deine neue Couch, von der du nach ein paar Monaten wieder heimlich am Smartphone andere Frauen als Tinder Schwindler eroberst. Sie wird die Frau sein, die du zuhause warten lässt, während du auf ein Date gehst und stolz erwähnst, dass du poly wärst.

Aber aus deinen Mund ist das Wort nur ein Synonym für abusive.
Manipulative.
Future faking.
Nicht bereit.
Du bist ein total netter, freundlich lächelnder future faker und wife abuser. Unter dem Deckmantel der offenen, freien Liebe geht für die Frauen in deinem Leben langsam das Land unter.

Weiß sie, dass du allen erzählst, dass sie zu alt für dich ist?
Weiß sie, dass du mir erzählst, dass du mit ihr keine Zukunft siehst?
Weiß sie, dass du nicht gerne neben ihr schläfst oder aufwachst?

Aber was frage ich überhaupt.
Natürlich tut sie es.

Nicht. Und natürlich wird sie nicht gehen.
Das Problem ist, dass eine Frau wie sie viel zu lange nicht geht.
Die Chance musst du nutzen, schließlich sind nicht alle Frauen so.

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