Auf jeder Party kommt irgendwann der Moment, in dem mich ein Gegenüber danach fragt, was ich „eigentlich so mache“. Also, beruflich, nicht jetzt in dem Moment, als ich mir zwischen unbekannten Endzwanzigern den vierten Gin Tonic auf leeren Magen reinstelle, um die vergangene Woche zu verdrängen.

Versteht mich bitte nicht falsch: Es gibt vieles, für das ich mich schäme, vom Schreiben zu Leben gehört nicht dazu. Ich habe die letzten sieben Jahre mehr oder minder bewusst darauf hingearbeitet, fünf Jahre Publizistik studiert und dabei verschiedenste Modelle nach Luhmann, Ruß-Mohl und Weischenberg auswendig gelernt, ja sogar mit einem okay-en Zeugnis abgeschlossen, Erstsemester als Fachtutorin an der Universität unterrichtet, mir insgesamt drei unbezahlte Jahre für irgendwelche Nischenthemen wie Studiengebühreneinführungen in Amsterdam den Arsch aufgerissen und danach den Dienst in einem großen Medienhaus angetreten, bevor ich gekündigt habe und mich seither als österreichische Autorin in einer der heißumkämpftesten Branchen Deutschlands behauptet, nur um als Antwort auf mein „Also, ich arbeite als Autorin“ ein „Achso! Schreiben! Ja, das mach ich selbst auch gerne, wenn ich mal dazu komme“ von einem Physikstudenten im dritten Semester an den Kopf geklatscht zu bekommen. Autsch.

Ich hatte schon zu viele Konversationen wie diese in meinem Leben, um heute nach einer enttäuschenden Reaktion zu meinem beruflichen Status an die Decke zu gehen. Dabei sind Aussagen wie diese historisch bedingt. In „der Theorie der feinen Leute“ beschreibt der Soziologe Thorstein Veblen die Tätigkeitsbereiche Kunst, Philanthropie und Wissenschaft als Freizeitvertreib der Elite – auch wenn sie heute mittlerweile als Arbeit eingestuft werden. Wo wir wieder bei der Gegenwart wären, in der ich, wenn ich ehrlich zu mir bin, am liebsten aus der Wohnung stürmen würde.

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Auch würde ich die Person gerne fragen, ob sie sich vorstellen kann, wie viele nervenaufreibende Stunden ich bereits in ihr sogenanntes Hobby investiert habe, um den Unterschied zwischen einem Amateur und einem Profi sichtbar zu machen und vorschlagen, nächste Woche auch mal in ihrem Labor vorbeizuschauen, um dort ein bisschen in den Reagenzgläsern rumzupfuschen. Macht bestimmt Spaß, mal ein bisschen hier rühren, und da Säure hinzufügen.

Ungefähr so hört sich das Gelaber von Menschen nämlich auch für mich an, wenn sie anfangen mir zu erklären, was die Medien oder die Journalisten – so, als ob es sich dabei um eine homogene Masse handeln würde – falschen machen würden. So, als ob sie es aus dem Stegreif besser könnten, weil sie einmal in sechs Monaten vor dem Schlafengehen Notizen für eine Kurzgeschichte aufschreiben und im Auslandssemester vier Einträge lang gebloggt haben.

Ich frage mich immer, wieso sich andere Fachrichtungen berechtigt fühlen, über einen Beruf zu urteilen, ja, diesen gar nicht erst wirklich ernst zu nehmen, wenn sie es doch nie versucht haben, ihn auszuüben. Ich sag doch auch nicht, dass „jeder laufen kann“, nur weil er im Sportunterricht aufgepasst hat.

Es geht mir gar nicht darum, dass andere Leute nicht schreiben, malen, illustrieren, fotografieren dürfen, wenn sie keine Autoren, Maler, Illustratoren oder Fotografen sind. Es geht viel mehr um den fehlenden Respekt vor einer Tätigkeit, die diejenigen, welche sie ausführen, schon mal an den Rand des Wahnsinns treiben kann.

Ich würde denen, die denken, dass „doch jeder schreiben kann“ gerne fünfzehn Seiten Papier hinlegen und ein Überthema vorgeben, über das sie dann in eloquenter und einwandfreier Grammatik sinnieren können. Gerne würde ich dabei sein, wie die ersten Minuten vermutlich erstmal gar nichts passiert, weil es doch schwieriger ist, einen so dahingesagten Gedanken auszubreiten, ohne sich ständig zu wiederholen, zu widersprechen oder komplett vom Thema abzukommen. Von der Motivation einmal ganz abgesehen.

Wo wir schon beim nächsten Punkt wären, den viele nicht bedenken, wenn sie des einen Beruf mit der Freude am eigenen Hobby verwechseln. Auf die Motivation zu warten ist etwas für Menschen, die einmal in drei Monaten Tagebuch schreiben, weil sie einen deepen Gedanken haben und danach befriedigt ins Bett fallen.

Bevor also das nächste Mal ein unüberlegter Satz über eure Lippen kommt, bevor ihr des einen Beruf als euer Hobby abtut, Dinge sagt wie: „Das kann doch jeder!“ oder „Ach, davon kannst du wirklich leben?“ versucht ein wenig Respekt für die Arbeit eines Menschen zusammenzukratzen, den ihr nicht kennt.

Versucht euch einen Moment vorzustellen, wie weit diese Person bereits gekommen ist, die vor euch steht, und auf wie viel sie hat verzichten müssen. Wie viele Rückschläge sie hat einstecken müssen, wie viele Absagen und schlecht bezahlte Aufträge.

Ja, wir sollten schon alleine deshalb anfangen, das, was andere tun, wertzuschätzen – weil wir in 99 % der Fälle keine Ahnung davon haben, wie die ökonomischen Herausforderungen des Alltags dabei wirklich aussehen, statt uns ins stereotypen Vorstellung des sogenannten Künstlerlebens zu verzetteln.

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