Jesus. Was ist das schon wieder für eine Serie“, dachte ich mir, bevor ich zwei Folgen später völlig wehrlos in einem neuen Netflix-Mikrokosmos aufwachte. Who’s surprised? INVENTING ANNA vereint schließlich alles, was eine auf Drama und Ästhetik getrimmte Fernsehlandschaft von uns Zuseherinnen verlangt:

Eine wahre Begebenheit, jede Menge Bling-Bling und exklusive New Yorker Hotspots, an denen die psychisch auffällige Hauptprotagonistin casually … wohnt.

Anna Sorokin, in New York auch als Anna Delvey bekannt, spielte ihren Freunden und Bekanntschaften jahrelang vor, eine deutsche Erbin zu sein und erkaufte sich ihr Vertrauen mit teuren Abendessen, ausgiebigen Shoppingtouren und respektlosem Verhalten gegenüber Hotelangestellten. Das Verrückte daran: obwohl ihre Kreditkarten oft nicht funktionierten und ihr Schwindel jederzeit auffliegen konnte, traute sie sich trotzdem jeden Tag aus dem Haus, als ob nichts wäre.

„Also ich könnte das ja nicht!“, denkt sich eins beim bequemen Bingen auf der Couch.

Ja genau, eins könnte das nicht. Und genau das macht den Charakter und die Story rund um Anna Delvey so spannend. Wie zur Hölle ist es möglich, sich in die New Yorker Elite einzuschleimen, obwohl man selbst nicht gerade aus den besten Verhältnissen kommt? Wie schafft man es, erhobenen Hauptes bei alten, weißen Männern anzuklopfen, um Millionenkredite zu verlangen?

Genau diese Selbstüberschätzung, ja, diese Delusion ist es, die Anna Delvey ganz nach oben – und dann wieder ganz nach unten bringt.

Sie traut sich, anzuecken, und sich schlecht zu benehmen. Sie möchte es den neureichen Bankern nachmachen, und selbst ein Stück vom Wall-Street-Kuchen haben. Kann man es ihr verübeln, instagrammable, beliebt und reich sein zu wollen? In einer Welt, die Aufsteiger belächelt, und Frauen sowieso?

Gibt es vielleicht sogar einen Touch Feminismus, den man in Anna spotten kann (wenn man beide Augen ganz fest zukneift) – oder ist sie wirklich die skrupellose, eiskalte B*tch, die ihre beste Freundin Rachel im Buch „My friend Anna“ beschreibt?

Schaltet ein, wenn Esther und ich uns über Julia Garners Darstellung von Anna unterhalten und unser Urteil fällen: Ist INVENTING ANNA eine gelungene Adaption dieser True-Crime-Story, oder haben die Macherinnen von Shondaland vielleicht doch ein bisschen zu fest auf die Sensations-Tube gedrückt?

Search for: „Death, Taxes and Neglecting my Fitness“ – überall, wo es Podcasts gibt. Und seit Kurzem auch auf YouTube.

Übrigens auch zu empfehlen: Ein Interview mit der echten Anna Sorokin.
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