Was für ein Debüt. Zu schade, dass ich „Alles ganz schlimm“ (Haymon Verlag) über Nacht auf der Terrasse habe liegen lassen, als es regnete. Dafür konnte ich hinterher einzelne Sätze sezieren, als ob mein Leben davon abhinge.

Autorin Julia Pustet greift Themen auf, die in der linken Bubble häufiger vorkommen, aber selten literarisch derart dicht, unplakativ und nachfühlbar abgebildet werden: toxische Therapy-Speech-Dialoge, Cancelling unter Feministinnen auf Instagram, Vergewaltigung durch linke Macker und eine On-Off-Beziehung mit dem gewalttätigen Bruder.

Und was passiert eigentlich, wenn eine befreundete Lügnerin einen Text über deine Zeit als Prostituierte in Paris klaut und später mit genau diesem Bruder zusammenkommt? (Wahrscheinlich mein größter Alptraum.) Richtig: nichts Gutes.

Pustets Sprache ist so detailreich, dass ich manche Seiten erstmal verarbeiten und eine Weile aufs Meer schauen musste. So zerreissend, dass ich den Roman vermutlich das kommende nächste Jahr verschenken werde (Sorry für die ruinierte Überraschung!).

Julia Pustets bewusst verschachtelte Ausdrucksart ist also definitiv nichts für Liebhaber von Book-Tok und schnell erzählten Page-Turnern. „Alles ganz schlimm“ ist einer dieser Romane, bei denen man hofft, dass er nie endet; weil man die – durchaus ambivalente – Protagonistin mit jeder umgeblätterten Seite ein bisschen besser versteht. Dafür nimmt man auch in Kauf, manchmal 20 Seiten nicht zu wissen, was genau hier eigentlich abgeht.

Julia Pustet – Alles ganz schlimm, Haymon Verlag 

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