„Das bleibt in der Familie“ – Wie mich meine Mutter jahrelang manipulierte, um die Wahrheit zu vertuschen

Meine Mutter hat mir immer verboten über sie zu schreiben, und obwohl es nicht meinem Charakter entspricht, habe ich ihrem Verbot ein Leben lang stattgegeben. Sie war die Einzige, die sich in den Kontext meines Schreibens einmischen durfte, mehr als meine Lektorin, mein Verleger oder meine Partner. Weil sie meine Mutter war, sagte ich mir.
Weil sie mir mein Leben schenkte.
Sie war sehr darum bemüht, mehr als um alles andere, dass die Wahrheit über sie und unser Verhältnis nie ans Licht kommt. Als ob sie bereits gewusst hätte, dass andere ihre Taten nicht so leicht verzeihen würden, wie ich; dass andere ihre Manipulationen nicht kleinreden würden müssen, um in ihrem Orbit zu überleben, um noch eine Weile so zu tun, als ob sie eine Mutter hätten.
Vergessen habe ich ihre Taten natürlich nicht. Die vielen Male, als sie sich nach einem Tobsuchtsanfall in ihrem Schlafzimmer einsperrte, und erst Stunden später wieder ansprechbar war, und das auch nur im Flüsterton. Als sie mir hinterher, als ich verunsichert in der Küche neben ihr stand das Gefühl gab, an ihrer Labilität schuld zu sein, obwohl ich acht, oder zwölf oder siebzehn Jahre alt war und noch nicht googeln konnte, was emotionaler Missbrauch ist.
Die Autofahrten von Bratislava nach Wien, wo sie mich auf jeder Strecke anderthalb Stunden durchgängig im Auto anschrie, nachdem ich mich von meinen Verwandten verabschiedet hatte und die Autotür zuging, dass ich doch ein bisschen mehr wie meine Freundin A. oder meine Cousine sein könnte.
Die Sonne knallte auf die Windschutzscheibe, und ich versuchte die Lautstärke auf meinem iPod so hochzudrehen, dass ich ihre Beschimpfungen und Vorwürfe mit ein bisschen Willenskraft zumindest ausblenden, wenn schon nicht überhören konnte. Als ich doch zurückschimpfte, war es der Beweis dafür, dass ich verdorben war, unwürdig. Das schlechte Kind, mit dem sie sich abzugeben hatte, als ob ich es mir ausgesucht hätte, ausgerechnet ihre Tochter zu sein.
Wenn überhaupt, habe ich also meine Mutter in meinen Texten so umgeschrieben, dass sie wie eine liebevolle, fürsorgliche Mutter rüberkam, die nur das „Beste für ihr Kind“ wollte, damit ich mich nicht mit der Scham auseinandersetzen musste, eines dieser misshandelten Kinder zu sein, und damit sie sich weiter mit den Errungenschaften ihrer begabten Tochter im Ausland rühmen konnte. Denn nichts anderes war ich seit meiner Geburt für sie.
Ein Statussymbol, eine Verlängerung ihres fragilen Egos, ein Clown, eine Beschäftigung und Bestätigung, etwas in diesem Leben „richtig gemacht“ zu haben – bis diese Illusion durch mein Erwachsenwerden bröckelte und ich mich jedes Jahr ein bisschen weiter entfernte, bis nichts mehr von einer ursprünglich als beidseitig bereichernd gedachten Verbindung übrig war und das störte sie.
Als ich 2022 den Buchvertrag für „Potenziell furchtbare Tage“ bekam, hat sie mir nicht als Erstes gratuliert, so, wie es für eine liebevolle Mutter üblich wäre. Sie hat sich geärgert, dass ich ihr die Seiten, die ich an den Verlag schickte, nicht vorab zum Lesen gegeben habe und war sehr wütend. Sie zeigte ihre Emotionen ungefiltert und offen, als ob sie dadurch in meinen Verantwortungsbereich fielen. Ich musste sie beschwichtigen, um nicht bestraft zu werden.
Ihr Bedürfnis, als Mutter gebraucht und gesehen zu werden, stand über meinem Erfolg, so wie ihre Bedürfnisse immer über jenen ihres Kindes standen.
Es ging den ganzen Tag nur darum, warum ich ihr diese Freude vorenthalten hätte und dass das nicht normal sei. Schließlich habe sie immer alles von mir zu lesen bekommen, früher.
Dabei wäre es ihr gar keine Freude gewesen. „Potenziell furchtbare Tage“ ist kein fröhliches Buch, keine nette Mutter-Tochter-Geschichte, die sie gerne gelesen hätte, weil das ihrer Delusion entsprochen hätte, sondern die Erzählung über eine traumatisierte Ex-Hochleistungssportlerin, die am helllichten Tag auf dem Weg vom Supermarkt in ihre Wohnung einen Nervenzusammenbruch bekommt. Huch, wie kommt das denn?
Statt in diesem Buch von ihren sinnlosen und „pädagogisch“ fragwürdigen Erziehungsmethoden zu sprechen, nenne ich sie auch noch liebevoll Mamička. Die Mamička, die nachmittags Spanischvokabeln mit mir lernte, und mir vor dem Schlafengehen einredete ein hoffnungsloser Sozialfall zu sein, der niemals Freundschaften führen würde. Ich schreibe über Citalopram zum Frühstück und forsche über neue Therapiemethoden aus den USA, wo MDMA zur Behandlung von CPTSD eingesetzt wird, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren, wer mir diese verpasst hat.
By continuing to use the site, you agree to the use of cookies. more information
The cookie settings on this website are set to "allow cookies" to give you the best browsing experience possible. If you continue to use this website without changing your cookie settings or you click "Accept" below then you are consenting to this.