Sind Heiratsanträge … antifeministisch? Mein Hot Take zum Mitnehmen

Ich hatte schon viele Delulu-Wünsche in meinem Leben – Popstar werden, nach Thailand auswandern, mir ein Neck-Tattoo stechen lassen (wobei?). Aber was ich mir wirklich nie gewünscht habe, war ein Heiratsantrag.
Jedes Mal, wenn ich einen aufwendig inszenierten Antrag beim Eiffelturm sehe, muss ich kurz in meinem Mund erbrechen. Diese ganze Heiratsantrags-Geschichte geht mir inzwischen wirklich zu weit. Denn sie beruht auf einer ganzen Familie von Lügen und Problematiken.
Let’s dive into it.
Wenn ich zufällig über eines dieser Videos stolpere, muss ich als Social-Media-Person fast zwangsläufig die Liste an Erledigungen durchgehen, die vor dem „spontanen“ Moment abgehakt wurden. And what is romantic about that?
„Oh, hier wäre ein guter Spot – lass mal „zufällig“ das Stativ aufstellen, Schatz.“
„Oh, das ist meine schlechte Seite, bitte komm von links auf mich zu, ja?“
HILFE!
Was mich daran stört, ist nicht nur der Fake-Vibe und die vor den Mund gehaltene Hand als Zeichen der ULTIMATIVEN ÜBERRASCHUNG. Sondern auch das, was unterschwellig mitschwingt: Die Frau weiß Bescheid – darf es aber nicht zeigen.
Denn das würde die Performance ruinieren. Als ob nicht jeder wüsste, dass das Ganze ein ziemlich schlecht geschauspielertes Theaterstück ist.
Als Medienwissenschaftlerin komme ich nicht umher, die gewünschte Wirkung eines solchen Videos zu analysieren. In 99 Prozent der Fälle geht der Mann vor einer Frau auf die Knie, und zeigt dem female Main-Character, dass sie auserwählt wurde.
ENDLICH!
Und da der Moment gefilmt wird, sieht ihn nicht nur sie – sondern auch ein Haufen fremder Leute im Internet. Die Message ist eindeutig: Look at me, I’m the chosen one.
Das pusht vielleicht kurzfristig das Selbstbild der Protagonistin – aber in Wahrheit zementiert es ein Narrativ, das wir eigentlich schon längst hinter uns lassen sollten: dass eine Frau erst dann „komplett“ ist, wenn sie von einem Mann bestätigt, ausgesucht, „zur Frau gemacht“ wird.
Honestly, idk.
Hier kommt die Juristin in mir durch. Nehmen wir einmal an, du möchtest zusammen mit deinem Herzensmenschen ein neues Auto kaufen. Was wirst du tun? Du wirst dich vermutlich an einem Freitagabend nach der Arbeit mit ihm hinsetzen, und das Thema ansprechen. Im besten Fall entscheidet ihr gemeinsam über die Marke, die Größe, die Farbe der Sitze und was euch sonst noch wichtig ist.
Aber wenn du dich vertraglich absichern AKA heiraten möchtest? Was machst du dann als Frau? GENAU!
Warten, bis er deine passiv aggressiven Vibes nicht mehr länger ignorieren kann, weil du ihm bei jeder gemeinsam besuchten Hochzeit, Geburtstagsfeier oder goldenen Hochzeit der Verwandtschaft komische Blicke zuwirfst.
Nein, im Ernst. Ich verstehe es wirklich, wirklich nicht, warum Frauen auf einen Antrag warten. Erfolgreiche, kluge, mutige Frauen, die sonst alles in ihrem Leben kontrollieren – von der Zahnzusatzversicherung bis zu den Inhaltsstoffen ihres Shampoos bis zum CO2-Ausstoß des nächsten Flugs.
Das ist doch absurd. Ausgerechnet bei einem der wichtigsten Verträge ihres Lebens sollen Frauen auf ein Signal von außen warten?
Girl, no.
Was kann man stattdessen machen?
Zwei erwachsene Menschen stellen … bei einem Spaziergang fest, dass sie ihr Leben miteinander verbringen wollen. Niemand fällt vor dem anderen auf die Knie. Es gibt kein Publikum. Keine Überraschung, weil es keine Überraschung sein sollte, wenn zwei Menschen ihre Zukunft planen.
Sie reden beim Abendessen über Vorstellungen, Rechte, Verpflichtungen, vielleicht sogar über Eheverträge oder Rollenverteilungen. Beide nehmen sich ausreichend Zeit zum Nachdenken. Danach wird gemeinsam entschieden. Wie, wann, wo.
Einer ruft beim Standesamt an. That’s it.
Fertig.
Romantik heißt für mich persönlich jedenfalls nicht, on camera ein von Pinterest kopiertes Drehbuch abzuspulen. Romantik heißt, sich gegenseitig ernst zu nehmen. Als gleichwertig und mündig. Und genau deshalb ist dieser Weg nicht nur logischer – sondern auch feministischer.
Denn: Wer sich gemeinsam und auf Augenhöhe für eine Ehe entscheidet, anstatt „ausgewählt“ zu werden, nimmt sich selbst und den anderen als gleichberechtigten Partner wahr.
Das ist dann zwar keine Disney-Story, hat aber vielleicht sogar mehr Potenzial für die Ewigkeit.
Foto von Anastasia Shuraeva von Pexels
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