Warum das eine „nur“ ein Ratgeber ist – und das andere „echte Literatur“


„Never judge a book by its cover” sagen sie, aber tun es dann doch. Und: wer kann es einem verübeln? Cover sagen nicht nur viel aus, sie verraten in der Regel auch das Genre.
Beispiel gefällig? Niemals würde auf einem literarischen Titel die Person selbst in HD-Fotoqualität prangen. Wenn schon, arbeitet der Verlag mit Verfremdungen, Collagen oder Vintage-Filtern. Dann weiß die Leserin nämlich gleich: „Oh wow, das hier, das muss ziemlich anspruchsvolle Literatur sein!“
Hello, mein Name ist Bixe Jankovska. Ich bin Autorin und Medienwissenschaftlerin und heute möchte ich über die Abgrenzung zwischen Non-Fiction und Autofiktion sprechen – und warum sie nicht nur durch das Cover definiert wird. Dafür möchte ich zwei Bücher heranziehen, die beide aus dem Leben ihrer Autorinnen erzählen – und die, rein vom Stoff her, genauso gut im jeweils anderen Genre hätten landen können.
Einmal: „Wie wir lieben, wenn wir uns trauen“ von Lina Mallon (Review hier) und „Alles dazwischen, darüber hinaus“ von Maë Schwinghammer. In beiden Büchern geht es um die persönliche Lebensgeschichte der Autorinnen; einmal über das erste Ehejahr nach der Hochzeit, und einmal das Coming-of-Age einer autistischen Transperson.
Warum aber gilt das eine (Schwinghammer) als echte Literatur – das andere, nunja, eher … nicht so? Fangen wir von vorne an. Denn, ihr könnt es euch schon denken:
Lina Mallon schreibt länger ins Internet als ich, was heißt, dass auch sie als Millennial-Bloggerin angefangen hat. Sie hat sich einen „Pen Name“ ausgedacht (Lina Mallon ist nicht ihr echter Name), einen Blog aufgesetzt und quasi live über Dates, Sex und Gefühlschaos berichtet. Durch die Präsenz auf diversen Social-Media-Plattformen konnte sie sich eine große Leserinnenschaft aufbauen, die genau diese Schreibe von ihr wohl auch in Buchform erwartet.
Zumindest vermute ich, dass die Verlage sich genau das gedacht haben, als sie mit den ersten Buchvertrags-Angeboten ankamen.
Seither erschienen sind:
Auf vier der sechs Cover ist Mallon alleine, oder mit ihrem Partner zu sehen.
Maë Schwinghammer veröffentlicht im selben Verlag wie ich – Haymon – davor habe ich sie ehrlich gesagt nicht aus diesem Internet gekannt. Sie studiert Sprachkunst, schreibt Lyrik, Theaterstücke und Essays. 2022 erschien das Lyrikdebüt „Covids Metamorphosen“ das sich den gesellschaftlichen und persönlichen Transformationen widmet, die in Zeiten einer globalen Pandemie stattfinden.
Auf dem Cover des Buchs prangt eine abstrakte Fotografie einer jungen Person.
Get the difference? Der Background einer Autorin hat einen großen Einfluss auf ihre spätere Verortung in der Literaturbranche, ja, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bestimmt er, welches Genre das Erstwerk haben wird.
Lina Mallons erstes Buch war ein direkter Spin-Off ihres Blogs. Maë Schwinghammers erster Roman ein autofiktives Werk in traditioneller Echte-Literatur-Manier.
Obwohl beide Frauen von ihrem Leben berichten und über dieses schreiben, gilt Lina als klassische Non-Fiction – und Maë als klassische Autofiktion.
Warum?
Weil Non-Fiction und Autofiktion zwar oberflächlich ähnlich wirken, erzählerisch aber auf zwei völlig verschiedenen Fundamenten stehen.
Dir gefällt dieser kleine Exkurs in die Literaturanalyse? Du möchtest selbst über dein Leben schreiben, weißt aber noch nicht, wie? Genau sowas diskutieren wir wöchentlich in meiner Substack-Masterclass, die am 19. Januar 2026 in die zweite Runde geht. Anmeldung ist noch bis zum 15.12 via E-Mail an info @ jankovska.de möglich. Alle Infos findest du zudem auf https://jankovska.de/substack-masterclass.
Non-Fiction – dazu gehören Ratgeber, Memoirs, Sachbücher – verpflichtet sich zuerst der Aussage. Ihrer Nützlichkeit, ihrer Botschaft und im besten Fall auch einer These. Non-Fiction möchte erklären, ordnen, beraten oder inspirieren. So ein bisschen, wie der gute Journalismus.
Sie arbeitet meistens linear, klar und mainstream-tauglich. Die Autorin spricht direkt, oft in der Ich-Perspektive, manchmal fast freundschaftlich-vertraut mit dem Publikum. Das „Ich“ tritt als Erzählerin auf, die die eigene Erfahrung so transparent wie möglich macht, um etwas zu vermitteln.
…Genau das macht Lina Mallon: Sie sortiert ihr Leben in Erkenntniskapitel, spricht Leserinnen direkt an, arbeitet mit Listen, Learnings, Red Flags, Anekdoten, Hinweisen. Die persönliche Geschichte ist hier Material für eine Botschaft („Ehe kann feministisch sein“, „So sind wir da hingekommen“).
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