Disclaimer: Namen, Orte und Arbeitsumfeld der Protagonistinnen wurden zum Schutz der Privatsphäre der Betroffenen verändert. Dies ist nicht das Finanzamt oder ein Gerichtssaal: juristisches Vorwissen entstammt meiner Sozialisierung in Österreich, wenn nicht anders angegeben.

Ich bin keine Feindin der Ehe. Vielleicht heirate ich selbst bald. Nächstes Jahr. Oder in fünf. Ich warte auf keinen Antrag, bereite aber auch nicht den meinen vor. Menschen können von mir aus gerne mehrere Male heiraten oder gar nicht. Eine fabelhafte Hochzeit für viel Geld planen. Vintage-Fotos schießen lassen und die Abzüge in minimalistischen Rahmen an die Wände hängen. Dagegen sein, und alle Verheirateten „Spießer“ nennen, oder die Institution Ehe überholt finden. Ich kann fast alle Positionen zu diesem Thema nachvollziehen und mich doch keiner vollständig anschließen. Kurz: die Ehe ist mir am allerwahrscheinlichsten einfach … egal. Deshalb habe ich auch noch nie über sie geschrieben.

Ich dachte, wenn ich das Thema lange genug umgehe, dann wird es auch wieder aus meinem Feed verschwinden, aber die Hochzeitsfotos werden immer mehr, und nicht weniger. Sie kommen häufiger, nicht seltener – und zwingen mir für eine Nanosekunde die Lebensvorstellungen anderer auf. Wenn ich wegklicke, entabonniere oder mute, ist die Ehe wieder aus meinem Sichtfeld verschwunden, sie ist dann wieder dort, wo sie gelebt wird. Hinter verschlossenen Türen, in heimeligen Dreiraumwohnungen, am Stadtrand oder im Prenzlauer Berg. In Ottakring, in Donaustadt. Im Siebten.

Schau mal, was ich gefunden habe“, schreibt mir Julia auf WhatsApp. Im Anhang ein Link zu einem Buch mit dem Titel: „Warum der Feminismus Käse ist und Frauen – nach wie vor – besser einen reichen Mann heiraten sollten.“ Ich muss schmunzeln, und schreibe etwas wie: „Oh ja, recht hat sie!“ zurück. Ohne genau zu wissen, warum.

Es ist ein Impuls, der mir diese Antwort entlockt, keine ausgeklügelte Theorie. Sie macht Sinn, wenn sie linear gedacht wird: „Reichen Mann heiraten, auf seine Rechte in der Ehe bestehen, nicht mehr lohnarbeiten, stattdessen echte Kunst erschaffen und sich keine Gedanken darum machen, ob und wer deine Ideen kauft.“

Mir fallen sofort zwei Frauen ein, denen ich – unfairerweise – diese Denkrichtung unterstellen könnte. Ich denke an Frau A, die malen kann, so viel sie möchte und sich nach zehn Jahren noch immer nicht um eine adäquate Website gekümmert hat. Deshalb, weil sie nicht muss. Ihr Mann arbeitet in der Immobilienindustrie und hat mehrere Nullen nach der 1 auf seinem Konto.

Ich bin gemein, wenn ich das s…

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