“Ich weiß, du würdest das Buch gerne in einem Monat runterschreiben, Bianca, aber so funktioniert das nicht”, sagt meine Lektorin während eines Telefongesprächs irgendwann im November. Sie lächelt, ich stehe vor der bisher größten Hürde: dieses Ding namens Buch in meinen Alltag zu integrieren.

Im August bekam ich die Zusage vom Verlag, im September war der erste Vorschuss auf meinem Konto und im Oktober – vier Wochen vor der Mandel-OP, die mich zwei Wochen lahmlegte – fing ich so richtig mit dem Schreiben und Editieren an. Jetzt muss dazugesagt werden, dass sich von so einem Vorschuss zwar je nach Staffelung zwei bis drei Monatsmieten exklusive Fixkosten nach Abzug von Steuern bezahlen lassen, mehr ist es dann aber auch nicht. Im letzten Viertel des vergangenen Jahres lief es journalistisch sehr gut für mich, ich hatte vier konstante, verschiedene Auftraggeber – und dann eben dieses Buch, das mir im Nacken saß wie eine nicht fertig gestellte Forschungsarbeit und mir jeden Abend als schlechtes Gewissen ins Ohr flüsterte.

Auf kurze Sicht habe ich mich natürlich immer für die journalistischen Aufträge entschieden, weil Geld reinkommen musste. Ich lebe vom Schreiben, ich kann nicht einfach so mal ein Monat nichts machen. Zumindest sagte ich mir das, in der Angst, nach drei Monaten meine Ersparnisse aufgebraucht zu haben.

Was ich vor dem Buchvertrag nicht bedacht hatte, war, dass ich mehr als zwei Monate Zeit brauchen würde. Nämlich ungefähr drei volle Monate und dann drei halbe. Schneller bin ich nicht. Diesen Winter habe ich gemerkt, dass ich echt Pause von der Journo-Lohnarbeit brauche, um am Buch zu arbeiten. Und das habe ich dann auch gemacht. Ich war in drei verschiedenen Ländern unterwegs, um nicht in der Schillerbibliothek im Wedding zu vergammeln und zumindest ein bisschen Landscape-Porn am Morgen zu sorgen (daher kommt auch das Titelbild für diesen Eintrag).

Und, wann ist dir das Geld ausgegangen? 

Damit mein Leben als “Digital Nomad” finanziell nicht eskaliert, habe ich meine Wohnung (mal wieder) an Fremde von eBay-Kleinanzeigen vermietet und gebetet, dass niemand die Küche abfackelt, wie sonst auch keine Klamotten oder Mitbringsel gekauft und generell eher billig gegessen/eingekauft. Ich wusste: die nächsten zwei, drei Monate habe ich nur den Vorschuss, und verdammt nochmal ich werde ihn nutzen.

Und, wie lief dann das Schreiben?

Mal besser, mal schlechter. Ist das so überraschend? Ich habe ungefähr 4 von 7 Tagen die Woche für zwei bis fünf Stunden geschrieben oder editiert und die restliche Zeit nachgedacht. Mit dem Schreiben ist es nämlich so wie mit anderen geistigen und kreativen Tätigkeiten: wenn es nicht fließt, dann kommt nichts Gutes dabei raus. Ich schreibe lieber zwei Stunden hochkonzentriert und motiviert (ca. 4 Seiten) in einem Guss (glaubt mir, das liest man Texten an), als mich acht Stunden lang zu quälen. Was nicht heißt, dass ich mich nicht auch mal zwingen musste, etwas fertigzustellen. Manchmal, wenn ein Subkapitel gar nicht lief, habe ich es lieber durch ein anderes ersetzt, das sich in der Zwischenzeit ergeben hatte. Gut lief es vor allem ab Ende Dezember und den Jänner über, als ich eine klare Vorstellung davon bekam, was ich eigentlich genau aussagen will. Was ich weglassen werde, was ich doch noch in die Ursprungsversion des Exposés aufnehmen will. Erstaunlicherweise habe ich mich recht genau an die Letztversion gehalten.

Mein Buch wird ca. 230 Seiten haben. Das sind 210 Seiten in Word und um die 60.000 Wörter. Obwohl sich viele Passagen wie von selbst schreiben und schrieben, gibt es doch dieses Ding, das man das große Ganze nennt. Ich habe erst nach ein paar Monaten begriffen, wie ich mein Buch strukturieren muss, damit es einen okay-en roten Faden hat und die Kapitel nicht komplett gesondert voneinander stehen.

Und, was ist so der größte Unterschied zum Artikel-Schreiben?

Zwar wusste ich von Beginn an, welche Haltung ich transportieren wollte (auch ganz wichtig), mit welchen Stilmitteln ich das allerdings schaffen wollte, war nicht immer so eindeutig. Wollte ich alles in der ersten Person Singular schreiben? Wollte ich meine Leserinnen und Leser zwischendurch mit “Du” ansprechen? Soll es auch ratgeberische Kapitel geben? Oder lieber doch was Lustiges für zwischendurch?

Als Journo, die die letzten sechs Jahre eher kürzere Artikel und Kolumnen schrieb und kurzfristige Gratifizierung wie die Luft zum Arbeiten brauchte, war ich es gewohnt, mit einem Text in zwei Tagen fertig zu sein, wohingegen das Buch nie fertig war, nie fertig sein würde – bis zum allerletzten Tag, an dem ich die Druckfahnen bekomme und noch kurz vor dem finalen Druck panisch nach Fehler suchend drüberlesen darf.

Ich habe jetzt schon Angst vor diesem Moment: dem Tag, an dem der GANZE Text final sein muss. Ich habe mich schon fast damit abgefunden, dass er nicht perfekt sein wird. Auch ein sogenanntes “Learning”, während des Buchschreibens. Ich musste lernen, mit dem zufrieden zu sein, was ich kann und nicht auf den Tag zu hoffen, an dem ich endlich brillant sein würde.

Und, was willst du sonst noch sagen?

Ein Buch zu schreiben ist nicht nur Handwerk, es ist auch mentale Arbeit. Ich kann mich nicht erinnern, wie viele Spaziergänge ich unternommen habe, um mir über den Aufbau dieses eines Kapitels nochmal Gedanken zu machen. Darüber nachzudenken, wie viel ich preisgeben sollte und wie viel ich preisgeben möchte. Nicht unbedingt dasselbe. Ich habe mich letztlich gemeinsam mit meiner Lektorin dafür entschieden, in der ersten Person Singular zu schreiben und nur selten “man” zu benutzen, weil der Text sonst nicht konsistent ist. An alle Schreiberlinge da draußen: achtet mal darauf, ob ihr bei euren Texten zwischen “Ich”, “Wir”, “Die”, “Man” wechselt – mir ist das bis dahin gar nicht so stark aufgefallen, dass ich es ständig tue. In einem Buch würde es jedoch stören, wenn die Ansprache und der Stil ständig wechselt.

Ach, und nochmal zu meinen Issues mit der Offenbarung von Privaten: ich habe sehr viele persönliche Momente in diesem Buch geschildert, aber sie sind selten wirklich privat. Ich spreche Probleme konkret an, ohne Menschen namentlich zu erwähnen oder zu diffamieren, ich versuche immer den Blick aufs “große Ganze” zu gewähren, um eine möglichst große Identifizierung mit mir als arbeitende, struggelnde, wachsende Person zu schaffen. Dieses Buch ist für uns. Die, die trotz aller Widrigkeiten für ihr Recht als freie Menschen kämpfen. Sei es in der Ellbogengesellschaft, am Fleischmarkt, oder der Freizeit.

Wer meine Texte mag, wird das Buch hoffentlich lieben, weil es noch mehr Ich ist, als ich es zu Beginn je erwartet hätte. Es ist, als ob ich mich mit dem Niederschreiben meiner Geschichte ein Stück weit befreit habe. Dieses Buch zu schreiben war wie Nacktfotos aus der eigenen Perspektive schießen: aufregend und emanzipierend.

Die Erwartungen sind von allen Seiten hoch, aber sie haben auch dazu geführt, dass ich mein Bestes gebe und kein Prozent darunter. Und natürlich gibt es Stellen, die dann doch übers Ziel hinausschießen. Die so intim sind, dass sie mir fast beim Lesen weh tun. Aber auch hier habe ich abgewogen: möchte ich, dass das Buch echt ist, oder möchte ich wie jemand schreiben, der nicht zu sich steht; der alles so verwässert, bis kein Stück Persönlichkeit mehr durchscheint? Eben. Ich möchte, dass Menschen dieses Buch lesen und bei jedem Absatz laut nicken, ihr Handy zücken und die Seite an ihre Freunde mit den Worten “LIES DAS, WIR HABEN DOCH LETZTENS GENAU DARÜBER GESPROCHN” schicken. Weil es das Buch ist, das ich gerne gelesen hätte, wäre ich heute nicht die Person, die ich bin. Trotz all meiner Fehler würde ich vieles genauso machen. Aber mehr will ich erstmal gar nicht über den Inhalt verraten, der Vorschaulink samt Cover sollte ohnehin in ein, zwei Monaten da sein.

Und, wie ist die Verlagswelt so? 

Auch so ein Ding an der Buchbranche, das ich vorher als Neuling nicht wusste: die Titel plus Cover erscheinen in der Regel schon, bevor das Buch überhaupt zu Ende geschrieben ist, weil es lange Vorlaufzeiten bedarf, um die Titel dann auch wirklich in den Buchladen zu kriegen. Die PR-Phase läuft schon vor der Veröffentlichung an, sodass zum richtigen Zeitpunkt genug Leute in die Läden oder ins Internet strömen, und auf kaufen klicken. Ich bin schon sehr gespannt, wie das alles so wird. Falls es überhaupt klappt, in die Presse zu gelangen. Als Journalistin weiß ich ja, wie schwer andere Journalistinnen zu überzeugen sind, über einen zu berichten.

Ich selbst habe bislang erst zwei oder drei Bücher massenmedial nach einer Anfrage rezensiert oder vorgestellt. Noch dazu “funktionieren” Interviews gerade in jungen Medien nicht sonderlich gut, das kann ich euch verraten. Mit funktionieren meinen Medienmacher meist “klicken”, und geschrieben wird unter anderem auch, was verlangt wird. Also, liebe Leserinnen und Leser: wenn ihr wollt, dass mehr über Bücher berichtet wird, dann klickt bitte Artikel über Bücher an. Kommentiert unter den Artikeln, die auch ohne Clickbait-Headline (“Nach dem tragischen Tod ihres XY schreibt Katharina sich die Seele aus dem Leib”) existieren.

In Bezug auf die mediale Rezeption meines Buches habe ich keine großen Erwartungen. Ich gebe einfach mein Bestes, schreibe etwas, wovon ich überzeugt bin, dass die Welt es in genau diesem, meinem schonungslosen Stil nötig hat. Es gibt Dinge, die kann man als Autorin nicht beeinflussen. Eines dieser Dinge ist, wie andere Menschen über dein Werk sprechen. Ob sie es mögen, ob sie es kaufen, ob sie es online kommunizieren werden.

Einen Tag, nachdem ich das komplette 2. Kapitel samt seinen 100 Seiten an meine Lektorin schicke, bekomme ich ihre Antwort: “Ich habe jetzt so 40 Seiten gelesen und finde es total klasse! Bis dahin ist es wirklich total stimmig.”

Ich glaube, überlasse meine Gedanken hiermit offiziell ihrem Schicksal.

+ posts