Mein Vater liest meinen Blog. Sagt er zumindest. Meine Mutter auch. Seltsam wird es dann, wenn sie mich während eines Gesprächs mit den Worten “Ja, habe ich schon auf deinem Blog gelesen” überrumpeln. Habe ich zu viel verraten? Wie fühlt es sich an, Eltern einer Bloggerin zu sein? Denken sie vielleicht sogar, dass es sinnlos wäre, was ich hier produziere? Letzten Sonntag habe ich sie beim Schnitzelessen mit Fragen konfrontiert, die nicht länger unbeantwortet bleiben sollten. 

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“Ich würde mir nur wünschen, dass du mehr mit uns privat redest, als dass ich das dann im Blog erfahren muss.” Mama 

I: Nein, ich habe es noch nicht vorbereitet, ist jetzt eher so spontan. Ich hab nur nachgedacht, dass es halt interessant wäre, irgendwie, einen Beitrag zu machen, weil ich auch gerne wissen möchte, wie ihr es so seht, dass ich blogge, oder wie nehmt ihr das wahr? Ist das arg, wenn du ins Internet gehst und dann gehst du auf meine Seite und liest das Zeug, das von deiner Tochter kommt?

P: Also auf der einen Seite ist eine gewisse Grundinformation da, was meine Tochter so treibt. Ich seh, was es Neues gibt in ihrem Leben. (…) Möchte sicher keinen Kommentar dazu abgeben.

I: (lacht) Warum nicht?

P: Schon gar nicht über online oder ähnliches. Ich werde nichts posten. Das ist für mich eine Info und aufgrund dessen, dass ich auch in der Medienbranche bin, habe ich die ganzen Informationen, die das Weltgeschehen betrifft, eh laufend am Schirm.

I: Ja und übers Weltgeschehen schreib ich ja eh nicht so wirklich, oder?

P: Nein. (lacht)

M: Du schreibst eher über Dinge, wo du Probleme hast.

I: (lacht)

M: Und so erfahren wir dann Sachen, die du uns nicht sagst. Und Kommentar habe ich schon einmal geschrieben, würde ich vielleicht auch gerne öfters schreiben. Aber irgendwie komme ich durch meine Arbeitszeit so wenig dazu, dass ich dann auch schon faul bin, irgendwas zu schreiben.

I: Wo hast du einen Kommentar geschrieben?

M: Einmal hast du doch gesagt, ich soll dir Kommentar schreiben. Und habe ich auch. Positiv! Da warst du noch in Belgien. Ich weiß jetzt nicht, was für ein Artikel das war.

I: Ja und was hast du in letzter Zeit gelesen?

P: Angefangen von deinen englischen Kurzfassungen, über twitter und facebook, dass die Leute eigentlich viel zu viel von dir wissen. Dass man sehr durchschaubar geworden ist. Als quasi gläserner Mensch.

I: Findest du, ich gebe zu viel preis, auf meinem Blog? Oder wie findest du halte ich da die Balance?

P: Ich denke, es kommt darauf an, was du gerade zu tun hast. Man sieht, wenn du weniger zu tun hast, sind halt mehr Blogs da. Wenn du im Stress bist, ist dann halt drei Tage nichts da.

M: Ich finde, du gibst genug preis – aber es ist anonym, oder? Kennt dich jemand, weiß das jemand, dass das genau du bist, außer engste Freunde? Und wir?

I: Ja, weil mein Name nicht dasteht explizit…

M: Der Name ist ja nicht richtig?

I: Naja, ich habe auf meiner about Seite schon zu meinen Artikeln verlinkt, wenn man da draufklickt, sieht man meinen Namen.

M: Also die Leute könnten feststellen, wer du genau bist, der diesen Blog schreibt.

I: Ja natürlich, natürlich.
Aber wie findest du’s? Findest du, ich gebe zu viel preis?

M: Genug, aber es ist doch anonymisiert, keine Namen. Privatleben ist dort fast nichts. So beziehungsmäßig meine ich. Oder nichts.

P: Das ist die neue Generation, ich finde es okay, dass man bloggt. Aber man muss eigentlich wahnsinnig viel Zeit dafür investieren, dass man laufend aktuell unterwegs ist.

papaichklein

I: Ja, wem sagst du das? Wenn ich mal eine Woche viel zu tun hab, komm ich überhaupt nicht dazu und gestern hab ich mal wieder drei Stunden was gemacht, und dann muss ich auch die Themen überlegen, man will ja auch nichts haben, das schon überall abgehandelt wurde, dann bist du voll hinten nach. Ich versuche auf meinem Blog schon Sachen zu machen, die nicht überall zu finden sind. Oder…

M: Und was ist Ziel von diesem Blog?

I: Das ist eine interessante Frage.

M: Weil du investierst schon sehr viele Stunden da rein, er ist auch nicht so wie Mode- oder andere Essensblog zum Beispiel. Aber ich habe gelesen, dass Blogs, einige haben das Ziel, damit Geld zu verdienen. Das geht nur mit Werbung, wenn du sehr bekannt bist … oder bestimmtes Thema, oder?

I: Ja, oder eben bei Fashion und bei Foodblogs hast du dann ja … kannst du dir dann Kooperationspartner suchen, aber wer soll denn bitte mit mir kooperieren? Wer soll mir denn Geld geben? Das ist halt irgendwie..

M: Ist dir das wert, so viele Stunden aufzuwenden für diesen Blog? Kommen von dem Blog dann mehr Kontakte für dich – ist das der Sinn davon?

I: Es ist schon eigentlich ein einziges Kontakteknüpfen, durch das Internet. Und ich habe schon soo viele Leute durch das Internet kennengelernt.

M: Und die nützen dir dann auch, beruflich irgendwie oder privat?

I: Ja. Schon. Meine ganzen Aufträge, die jetzt dann abgedruckt wurden, hätt’ ich nicht gehabt, hätte ich keinen Blog. Ich merke auch, umso mehr Zeit ich investiere, umso mehr kommt dabei raus. Ich merke das richtig, sowohl in Followerzahlen, als auch in Kommentaren, überhaupt, wie über irgendwelche Dinge diskutiert wird, wie es geshared wird. Das sieht man alles. Aber sobald man mal nichts macht, hat man wieder gleich das Gefühl, man ist total raus, man sollte das endlich wieder machen.

P: Es ist auch gar nicht so einfach …

M: Wir sind aber beide nicht auf twitter. Aus dem Grund, mir ist es schon ein bisschen zu viel, wenn ich zwei mal täglich auf facebook schaue. Das reicht mir schon kurz. Theaterkritik, Kommentar von einer Kollegin, die ein Theaterstück gesehen hat. Oder ich poste da: Juhu, bei mir blüht ein Kirschbaum, ein schönes Foto. Dann schreibt meine ganze Familie aus der Slowakei: Like. Deshalb will ich auch nicht mehr Zeit verwenden. Ganze Woche habe ich mir vorgenommen, ich gehe zum Computer und mache Überweisung. Ich bin nicht dazu gekommen, weil ich jeden Tag 9 Stunden in den Computer starre. Mir tun am Freitag so die Augen weh, von dem Computer, dass ich – wenn ich nicht unbedingt muss – nirgends mehr reinschau.

I: Was mich noch interessieren würde ist. .. findet ihr das gut, dass ich blogge? Oder wie seht ihr das?

M: Ich denke, wenn dir das Kontakte bringt, ist es gut. Aber sonst wäre das für mich persönlich wie verschwendete Zeit, wenn ich das machen würde. Jetzt. Aber wenn dir das Kontakte bringt, du teilst dich gerne mit, na dann finde ich das eigentlich okay – solange du dafür Zeit hast. Es kommen vielleicht andere Tätigkeiten, wo du vielleicht sagst: Jetzt kann ich nicht drei Stunden opfern.

P: Ich seh’ das auch so. Wenn du Zeit hast, und du machst das, ist es komplett okay. Dass du Kontakte knüpfst, in der Branche ist das ganz wichtig. Ich sehe kein Problem damit.

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I: Ist es nicht irgendwie lustig, so zu sagen: Meine Tochter bloggt. Oder redet ihr da manchmal drüber … oder eher nicht?

P: … Nein.

M: Ich überlege, ob ich das jemandem gesagt habe? Der L. habe ich es gesagt , aber nicht die Seite. Ich weiß nicht, ob ich es in der Firma einmal ganz kurz erwähnt habe. Aber auch nicht die Seite. Nur zweimal diese kurzen Erwähnungen. Weil eben von meinem Bekanntenkreis niemand Blog hat.

P: Bei mir ist es eher so, dass ich sage, da hast du eine Geschichte. Aber beim Blog ist es auch nicht so, dass ich den Link überall weitergebe.

I: Und, ja, ich war ja immer schon im Internet. Ist bloggen nicht eine logische Konsequenz von meinem Internetnutzungsverhalten, das ich habe, seit ich elf bin?

M: Ja, aber eine zeitlang habe ich mir gedacht, dass du eben nicht so viel preisgeben willst von dir im Internet.

I: Aber naja, geb’ ich so viel preis?

M: Eben, aber ich dachte du willst überhaupt nichts mehr über dich preisgeben, nach einer bestimmten Phase. Aber jetzt hat sich das eingependelt.

P: Joah. Finde es steht nichts Böses drinnen, es sind Gedankenanstöße, die wer bearbeiten kann.

M: Ich würde mir nur wünschen, dass du mehr mit uns privat redest, als dass ich das dann im Blog erfahren muss.

I: (lacht.) Wirklich? Was hast du so durch den Blog erfahren?

M: Na, Streit mit dem Professor. Da hast du nur am Rande nachher gesagt, du hast gestritten und ich musste das vorher alles durchlesen.

I: Aber sonst, ist es nicht auch irgendwie spannend zu sehen, wie ich schreibe oder wie ich mich ausdrücke und so? Weil es ist ja wieder eine andere Dimension, ihr kennt mich ja so gut wie niemand anderer und dann lest ihr meine Texte online. Ich stell mir das verwirrend vor, wenn ich ein Kind hätte.

M: Nein, das passt zu dir. Wie du schreibst, wie wir dich kennen, das passt zu dir. Für mich ist das nicht verwirrend. Ich weiß wie du auch redest, wie du dich beschwerst, genauso schreibst du das auch. Und eigentlich habe ich so das Gefühl, vielleicht ist da nicht sehr viel Positives in dem Ganzen drinnen, mehr das Negative… oder vielleicht … in der Vergangenheit überwogen hat. Was war das letzte? Jetzt habe ich eine Woche nicht reingeschaut.

P: Das letzte Große war eh das mit dem Professor.

M: Aber war da nicht noch was?

I: Naja gestern hab’ ich was gebloggt.

M: Das habe ich nicht gesehen. Mehr als einmal pro Woche, wenn nicht sogar einmal in zwei Wochen…

I: Ich find das süß, wie der Papa meine Sachen liest. Das freut mich.

M: Er sollte das kommentieren, wenn er in der Firma Zeit hat!

I: Er sagt mir das so.

M: Aber dann hättest du mehr Kommentare. Auch nicht schlecht!

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