Ich habe diesen Text seit fünf Wochen vor mir liegen und stolpere immer wieder über eine Frage: Was ist überhaupt Aktivismus? Reicht es, Bücher und ein paar hundert Artikel geschrieben zu haben? Oder ist man erst dann Aktivistin, wenn sich die innere Haltung in Form von sichtbaren, konkreten politischen Handlungen manifestiert?

Die Debatte darüber, wie aktivistisch Journalist*innen sein müssen, ist seit dem offenen Brief von Sara Schurmann in aller Munde. Wie laut muss jede*r von uns schreien, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen?

Oder, groschenphilosophisch gefragt: muss das überhaupt wirklich jede*r? Zu jedem Preis?

Ich persönlich bezeichne mich bewusst nicht als Aktivistin oder Sinnfluencerin. Warum sollte ich auch? Schließlich rufe ich nicht zum Wählen auf, nehme niemanden „mit in den Bundestag“, konsumiere weiterhin fleißig tierische Produkte, engagiere mich nicht in der Nachbarschaft und gehe selten auf Demos. Aber um mich (oder den Journalismus™) soll es in diesem Text heute eigentlich auch gar nicht weiter gehen.

Viel mehr möchte ich einen genauen Blick auf jene generalisierten Forderungen werfen, die inzwischen von jeder zweiten Frauenzeitschrift prangen: „Sei grün! Mach mit! Hilf mit! Spende! Unterschreibe hier und da und zeig es deinen Freund*innen.“ Auch auf Instagram – die Plattform, auf die man einst vor Twitter flüchtete – gibt es inzwischen hunderttausende Accounts, die mit ihren Social Cards aktivistisch-motivierte „Aufklärung“ betreiben.

Ich schreibe „Aufklärung“, weil ich die vielen Accounts, die das Feminismus oder Nachhaltigkeits-1×1 in Endlosschleife reproduzieren, nicht mehr zählen kann.

Wie oft ich inzwischen schon entabonniert habe, weil mir jemand auf passiv aggressive Weise erklären wollte, was Slutshaming ist. Oder Klassismus. Oder Narzissmus. Oder die EU.

Don’t get me wrong: Ich möchte niemanden dafür shamen, noch nicht „weiter“ zu sein und deshalb erstmal Basics aufzuarbeiten. Und trotzdem frage ich mich beim Scrollen:

  • Ist jede*r auf Instagram dafür geeignet, politische Aufklärungsarbeit zu betreiben?
  • Kann es ein „zu viel“ an pseudo-journalistischer Bildungsarbeit geben?
  • Wann verkommt Aktivismus zum Trend – und wer profitiert am Ende davon?
  • Die Gesellschaft, oder das sich inszenierende Individuum?

Ein Think-Piece über die Grundprobleme des Instagram-Erklärbär-Aktivismus, die sich mir in unzähligen Stunden vor dem Bildschirm gestellt haben – wie immer ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Danke für die wunderbare Illustration, Julia Feller.

1. Die (oftmals) fehlende Kompetenz

Witzigerweise schreien alle Fake News, wenn es um Rechte geht – selbst prüfen ihre Quellen aber die Wenigsten. Vermutlich klinge ich jetzt wahnsinnig elitär, wenn ich sage, dass ich mich bei meinen Sources doch lieber auf Wissenschaftler*innen oder Fachexpert*innen verlasse, als auf Vollzeitmütter mit Canva-Access.

Warum? Lest folgendes Zitat von Copypasta auf Reddit, das das Problem zusammenfasst.

Jede*r mit einem Smartphone in der Hosentasche kann sich heute Abend hinsetzen und um Mitternacht von sich behaupten, etwas „recherchiert“ zu haben. Worin das im Worst-Case führt, hat Journalistin Anne Dittmann unlängst in ihrem Artikel „

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