Niemand muss sich schämen, die Pille zu nehmen –  oder eben nicht. Beides kann je nach Person wunderbar funktionieren. Soweit die Quintessenz der Podcast-Episode ‘Pille – Yay or Nay?‘, in der Bianca und ich darüber sprechen, wie wir individuelle Wege zu selbstbestimmter Verhütung gefunden haben.

Wenn du nach dem Hören der Episode denkst: Schön für euch, aber bei mir funktioniert das nicht – dann lies weiter. Vor unserem Gespräch lagen schließlich auch jahrelange Wege einschließlich Trial, Error und Verzweiflung. Da nicht alle in einen 45-minütigen Podcast gepasst haben, stelle ich euch hier fünf weitere häufige Probleme auf der Suche nach der passenden Verhütung und dazu passende Lösungen vor.

Problem #1: “Ich habe schon so viel probiert: diverse Pillen, Kupferspirale… nichts hat mir gut getan.”

Immerhin: Die Auswahl ist heute deutlich größer, als wir in den Nullerjahren in der Schule lernten. Etwa fünfzehn Verhütungsmethoden werden inzwischen von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (bzgA) und dem britischen National Health Service (NHS) als modern und insgesamt zuverlässig eingestuft. Wenn du keine Lust auf den x-ten Versuch mit Hormonen oder Fremdkörpern im Uterus hast, solltest du dir Methoden ohne Nebenwirkungen ansehen.


Rena mit ihrem Diaphragma

Zu ihnen zählen Diaphragma, Kondome, Frauenkondome, die symptothermale Methode und Zykluscomputer (daysy, cyclotest myway). Manche kann man kombinieren, um die Sicherheit zu erhöhen. Ich selbst bin begeisterte Mix-Anwenderin: zum einen dokumentiere ich meine Basaltemperatur und meinen Zervixschleim nach den Regeln der symptothermalen Methode Sensiplan. Damit werte ich jeden Zyklus aufs Neue aus, wann meine fruchtbare Phase beendet ist und ich nicht mehr zusätzlich verhüten muss. Weil Abstinenz während der fruchtbaren Phase nicht mein Ding ist, heißt es etwa 12-17 Tage pro Zyklus: Kondom, Caya-Diaphragma oder eben andere schöne Praktiken statt Penis in Vagina.  Diese individuelle Lösung kam mir natürlich nicht von heute auf morgen, sondern entwickelte sich Schritt für Schritt mit einem tollen Mann an meiner Seite, der nie auf die Pille drängte. Stattdessen signalisierte er von Anfang an, dass Verhütung mit Kondomen kein Stress für ihn sei, er mich aber auch gern bei Zyklusbeobachtung und neuen Experimenten unterstütze.

Die Frauenärztin Dr. Dorothee Struck hat dazu beispielsweise mehrere Bücher verfasst und gibt Webinare. Maggie vom Blog We are the Ladies testet Tools rund um natürliche Verhütung.

Problem #2: “Seit dem Absetzen der Pille spielt mein Körper verrückt. Pickel, Haarausfall… Hilfe!”

Zunächst eine kleine Beruhigung: bei vielen Betroffenen verschwinden diese Symptome nach einigen Monaten wieder. Dein Körper macht gerade eine große Umstellung mit. Hormonelle Verhütung kann Nährstoffmängel begünstigen und auch der Zyklus braucht manchmal länger, um in Schwung kommen, nachdem er jahrelang unterdrückt wurde.

Gezielte Ernährungsumstellung, Nahrungsergänzungsmittel und Bewegung können helfen. Der Blog Generation Pille ist auf diese Themen spezialisiert. Eine gute Quelle auf Englisch ist Dr. Jolene Brighten und ihr Buch “Beyond the Pill”.

Problem #3: “Ich weiß nie, wann ich meine Tage bekomme.”

Lass mich dir meinen liebsten Lifehack verraten: das Messen und Aufzeichnen deiner Morgentemperatur! Du kannst damit nicht nur herausfinden, wie es um dein Progesteron steht (ein Progesteronmangel kann u.a. die Fruchtbarkeit einschränken und fieses PMS begünstigen), sondern auch feststellen, ob du einen Eisprung hattest und deine Periode ziemlich genau voraussagen. Und das sogar bei unregelmäßigen Zyklen, denn du analysierst jeden Zyklus aufs Neue. Dieser ist geprägt von zwei Temperaturniveaus: einem niedrigen vor dem Eisprung, und einem höheren danach. Solange deine Temperatur in etwa gleich bleibt, hast du keinen Eisprung bestätigt und daher auch keine Periode in Sicht (Ausnahme: Zyklen ohne Eisprung, bei denen trotzdem eine Blutung eintritt – ein eher seltener Sonderfall, der hier den Rahmen sprengen würde).

Steigt deine Temperatur und bleibt erhöht, weißt du, dass du einen Eisprung hattest und kannst deine Periode innerhalb 10-16 Tagen nach dem ersten Temperaturanstieg erwarten. Je länger du deine Zyklen aufzeichnest, desto genauer weißt du Bescheid, denn die persönliche Temperaturhochlage ist relativ konstant, also z.B. immer 12-13 Tage. Kommt deine Menstruation schon nach weniger als zehn Tagen erhöhter Temperatur, liegt vermutlich ein Progesteronmangel vor – eine wertvolle Information für den nächsten Arztbesuch.

Anleitung zur Messung und Zyklusblätter findest du auf Generation Pille, myNFP.de und Sensiplan im Netz.

Problem #4: “Mein Arzt hält mich verrückt, weil ich die Pille nicht (mehr) nehme.”

Nichts ist ätzender, als an den Punkt zu kommen, wo du deinen Zyklus verstehst, anhand deiner Aufzeichnungen potenzielle Probleme erkannt hast, dies mit einem Arzt besprechen willst – und er dir das Wort abschneidet: “Was soll das? Ich stelle Ihnen ein Rezept für die Pille aus.”

Lass dich nicht verunsichern – nicht alle Gynäkologen sind Experten für Zyklusprobleme und hormonfreie Verhütung. Auf myNFP, der Website zur gleichnamigen App, gibt es ein Verzeichnis der Mediziner*innen, die die symptothermale Methode unterstützen oder zumindest nicht ablehnen. myNFP wurde von einem Informatiker entwickelt, dessen Freundin nach Problemen mit der Pille auf die symptothermale Methode Sensiplan umstieg. Die darauf basierende App wurde von Stiftung Warentest 2017 als Testsieger ausgezeichnet. Achtung: lernen muss man die Methode natürlich trotzdem selbst. Ein wichtiger Teil von ihr ist die Interpretation von Temperaturkurven. Das heißt auch: eine NFP-freundliche Ärztin wird lieber (und kompetenter) mit dir über deine Kurven nerden als ein glühender Verfechter hormoneller Verhütung.

Problem #5:  “Ohne Pille geht es mir insgesamt besser, aber meine Regelschmerzen sind die Hölle.”

Welcome to my world. Das ist der einzige Nachteil, den auch ich ohne hormonelle Verhütung hatte (und manchmal noch habe). Ich habe aber einige nebenwirkungsfreie Strategien, die meine Probleme deutlich verringern:

→ Yoga und Stretching an den Tagen vor der Periode
TENS-Gerät (TENS steht für transkutane elektrische Nervenstimulation, ein System, das schon lange in der Schmerztherapie eingesetzt wird): ich habe die “Livia”, es gibt aber auch billigere.
→ Wärmepflaster für unterwegs, wenn die Wärmflasche zu umständlich ist. Weitere Tipps zu Menstruation auf Reisen habe ich hier aufgeschrieben.

→ Menstruationscup benutzen. Manche Frauen berichten, dass sie seit dem Cup weniger Schmerzen spüren. Bei mir verringert er zwar keine Krämpfe, aber ich fühle mich insgesamt wohler: meine Schleimhäute trocknen nicht aus und ich muss ihn seltener wechseln als Tampons. Beratung zu passender Größe und Marke gibt es hier.
→ Ernährungsumstellung. Der Bereich, in dem ich persönlich noch hinterherhänge (kein Koffein, kein Zucker? Schwierig…). Aber zumindest kenne ich gute Literatur: “Die Perioden-Werkstatt” von Lara Briden und die Webinare “PMS” und “Mensschmerzen” von Dorothee Struck.


Vielleicht bist du keine Gynäkologin. Das heißt aber nicht, dass du keine Expertin für deinen Zyklus werden kannst. Also: lies dich ein, bilde dich, be your own advocate! Viel Erfolg und vor allem: viel Spaß (ja, das macht es wirklich.)

Fotoquelle

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