Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, vor lauter Dankbarkeit. Es war sowohl subjektiv als auch objektiv betrachtet ein so so schönes, bereicherndes, spannendes Jahr; ein tolles 26. Lebensjahr, das ich erleben durfte und ich könnte mich nicht glücklicher schätzen, als heute. Auch, wenn es aus meinen oftmals sehr zynischen – ja, manche mögen sagen negativen – Texten nicht immer hervorgeht: 25 zu werden war wahrlich ein Wendepunkt. Sowohl beruflich als auch privat ist dieses Jahr *aufholzklopf* alles aufgegangen, das ich mir gewünscht hatte. Und sogar noch ein bisschen mehr. Ich weiß gar nicht wohin mit dem ganzen Glück, ich sollte es nicht verschreien und doch kann ich nicht anders, als mich gerade einfach nur wahnsinnig zu freuen, am Leben zu sein. Genauso ehrlich wie pathetisch.

Was jetzt folgt, ist ein kleiner Rückblick über das, was die vergangenen drei Jahre passiert ist. Hier, auf diesem Blog. Und auch ein bisschen bei mir. 

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Heute vor genau drei Jahren, da bin ich gerade 23 geworden und lebte für ein halbes Jahr in Antwerpen. Es war das erste Mal, dass ich meine Heimat Wien für längere Zeit verlassen hatte und ich wusste das erste Monat erstmal relativ wenig mit mir anzufangen. Ich studierte im neunten Semester Publizistik- und Kommunikationswissenschaften, hatte meine Bachelor in Politik in der Tasche und absolut keine Ahnung, wie ich es in diese Medienwelt schaffen sollte. Einzig, dass ich unbedingt dahin wollte (naive me), war offensichtlich.

Vor meinem spontanen Umzug verbrachte ich die meiste Zeit meines Tages mit der Lektüre von hochtrabenden akademischen Schriften auf dem Sofa meines damaligen Freundes – oder redete mir das zumindest im Nachhinein ein, um diese Sache mit dem Studium abseits der intellektuellen Komponente nicht als komplette Verschwendung zu verbuchen.

Heute, drei Jahre später, gibt es meinen Blog immer noch – und gosh, ist seither viel passiert. Vieles davon habe ich meinem 23-jährigen Ich zu verdanken, das an diesem einen Tag im November 2014 motiviert genug war, um sich eine eigene Plattform zu schaffen. Denn, ganz ehrlich: ohne Volontariat und ohne einem Studium in Kreativem oder Szenischem Schreiben war es für mich relativ aussichtslos, irgendwo unterzukommen. Dachte ich zumindest. Ich wurde mit 18 sowohl am Journalistik-Institut in Wien (ein herzliches Fuck-You an dieser Stelle), als auch einige Jahre später an der Filmuniversität Babelsberg abgelehnt. Ich wurde nicht beim Falter im Medienressort festangestellt (ich gönns dir eh, Naro) und ich habe kein Praktikum beim Profil bekommen.

Wie soll ich fortfahren, ohne frustriert zu klingen und den Struggle, den ich erfahren habe, halbwegs realitätsgetreu abzubilden? Vor drei Jahren wollte niemand meine Kolumnen haben, keiner hat sich auch nur für ein Wort interessiert, das ich zu sagen hatte. Ich frage mich manchmal, wie ich es damals bewerkstelligt habe, an mich zu glauben, wo es doch wahrlich niemand anderes tat. Das ist das bittere am Business: solange du nicht eine gewisse Followerschaft und/oder ein gewisses Standing durch ein bis zwei harte Jahre in der Festanstellung hast, kannst du es vergessen, vom Schreiben zu leben.

Ich ging wie viele andere auch, die ihr Vorhaben inzwischen verwirklicht haben, den “harten” Weg. Nach einem Jahr groschenphilosophin.at bin ich im Herbst 2015 für den Job nach Hamburg gezogen und habe mir im imposanten SPIEGEL-Gebäude an den klassisch ausgebildeten Journos mit ihrem News-Tunnelblick und ihren Standard-Headlines die Zähne ausgebissen. Ich schrieb auf Bento so gut es ging in meinem Stil, versuchte, digitale Themen anders aufzubereiten als andere, auch wenn meine Texte immer wieder umredigiert wurden, damit sie auch so normkonform wie möglich klangen und „so viele Menschen wie möglich abholten“. Was auch immer das heißen sollte. 14 Monate später, im Januar 2017, bin ich nach Berlin gezogen – da, wo ich immer dachte hinzuwollen.

Ich wollte ursprünglich nie für die Masse schreiben, sondern – im Gegenteil – für die Nische. Ich komme streng genommen aus der Wissenschaft, nicht dem Journalismus. Meine Themen waren nerdig genug, um in der Redaktionskonferenz als irrelevant zu gelten. Bei Bento lernte ich sie so zu verkaufen (man gewöhnt sich an das Wort zumindest genauso wie an die etwas schrägen Headlines im Onlinebusiness), dass sie auch abseits meiner akademischen Blase verstanden wurden. Trotz der Chance, endlich durchzustarten, geriet ich schon im Sommer 2016 erstmal in eine Krise und wollte dem Journalismus den Rücken kehren. Ich habe auf The Gap und im Kaput Mag darüber geschrieben, was nach einem Jahr im Online-Journalismus kaputt ging und auch auf twitter einen Thread verfasst, in dem ich auf die Tücken der Medienmenschenhierarchie aufmerksam machte. Das mit Hamburg und das mit Bento war ein Sprung ins kalte Wasser, der sich erst das Jahr darauf auszahlen würde. Dazwischen musste ich lernen, zu schwimmen.

So sehr ich mich auch gegen den strikten 9 to 5 Rhythmus wehrte, ich habe doch einiges gelernt. Über Hate-Speech, Umgang mit Kritik, die Struktur von Texten, den Aufbau einer These und den Unterschied zwischen einem und keinen Thema. Wie man zur Geschäftsfrau wird, und trotzdem weiterhin auf twitter rantet.

Ich war glücklich genug, um nach meinem Hamburg-Intermezzo abgeworben zu werden und mich seither als Freie behaupten zu dürfen. Fünf bis acht Texte pro Monat schreibe ich aktuell für andere relativ junge Medien und versuche dabei, die Themen so genuin wie möglich zu generieren, nicht einfach das abzuschreiben, was gerade alle machen (siehe: why newspaper tend to mimic each other) und so authentisch wie möglich in einer Szene zu bleiben, die dir wegen unpopulärer Meinungen am liebsten einen Kugelschreiber durch den Handrücken rammen würde. In erster Linie, weil sie die Idee nicht vor dir gehabt hat. Ich habe darüber geschrieben, was es bedeutet, keine Frohnatur zu sein und warum Social Media nicht nur für Paare sein sollte. Ich habe Alternativen zu Ghosting gebastelt und meine erste Covergeschichte über die Nostalgie-Industrie geschrieben. Das ausformuliert, was alle über die 40 Stunden Woche denken – nämlich, dass sie Menschenquälerei ist und mich wenige Monate später selbstständig gemacht. Und, das vielleicht Wichtigste, was ich dieses Jahr umgesetzt habe: mir Zeit für die Dinge und Menschen zu nehmen, die mir wichtig sind. Und wenn es bedeutet, erstmal wieder zu ihnen ins Bett zu kriechen. 

Ich habe tolle Chef*innen bekommen dieses Jahr, gleich vier Stück (<3) und einen Buchvertrag bei Rowohlt, den ich mir niemals – und mit niemals meine ich niemals – erträumt hätte. Ich habe genau die Frauen, die mir im echten Leben nicht so schnell über den Weg gelaufen wären, über das Internet kennengelernt. Frauen, die mich sowohl in ihrer Stärke, mit Konflikten und Herausforderungen in der Medienbranche umzugehen, als auch mit ihren eigenen Taten und Worten beeindruckt haben.

Das Privileg, als schreibende Frau in der Öffentlichkeit gehört und wahrgenommen zu werden, möchte ich solange wie möglich nutzen. Den Punkt, an dem ich mich habe einschüchtern lassen, konnte ich zum Glück überwinden und bin damit ein Stück weiter in meine Rolle als Autorin hineingewachsen (siehe auch: Was es bedeutet, Texte unter dem eigenen Namen zu veröffentlichen). Ich habe eine Community gewonnen und erschrieben, die sich mit dem identifizieren kann, was ich schreibe, nachdem ich ein Jahr nur anonym produzierte Scheiße in den Kommentarspalten fressen musste. Was ich daraus gelernt habe? Hauptsächlich, was den Unterschied zwischen künstlich generierten und echten Fans ausmacht. Jenen, die dir folgen, weil sie wirklich daran interessiert sind, was du zu sagen und zu zeigen hast. Weil sie eine Bindung zu dir als Person haben und von dir lernen – oder zumindest unterhalten werden – wollen.

Ich bin dieses Jahr einen ganzen Sprung erwachsener, „größer“ geworden und immer wieder aufs Neue überrascht (und erfreut), wenn mich Leute erkennen, ansprechen oder anschreiben. Wenn sie, wenn ihr meine Texte im Internet verbreitet und liebe als auch konstruktive Nachrichten auf Instagram sendet. Mir sagt, dass euch meine Worte dort treffen, wo es weh tut. Es motiviert mich ungemein zu sehen, dass sich Gedanken nach der Publikation nicht im Nichts auflösen, sondern weitergetragen und gedacht werden, in den Köpfen anderer weiterwirken. Es motiviert mich, mich zu verbessern – und hier kommen wir zum zentralen Punkt dieses Geburtstagsposts – weiterzuentwickeln.

Ich schreibe nach wie vor gerne, wenn auch hin und wieder gefühlt einen Tick zu viel. So viel, dass ich manchmal das unangenehme Gefühl habe, meine Ideen als unausgegorenes Kanonenfutter zu verschleudern – auch, wenn ich für die Reichweite der ganz Großen wahnsinnig dankbar bin. Ohne dieser wäre es nicht möglich, gesellschaftlichen Fortschritt im klassischen Sinn der Medien als (wenn auch inzwischen meines Erachtens geschwächter) 4. Gewalt zu erzielen.

Was mir fehlt(e), ist eine Plattform, auf der ich neue Schreibstile ausprobieren, auf der ich mich zu der entwickeln kann, die ich werden möchte. Die kreative Vorarbeit dafür kann niemand anderes als ich selbst verrichten. Es ist heute das erste Mal, dass ich diesen Wunsch öffentlich ausformuliere. Ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird, und wie ich dahin kommen werde – aber so sind bekanntlich die ersten Schritte. (Wie es mein Posteingang will hat sich noch vor der Publikation dieses Blogeintrags die erste Kooperations-Neuigkeit dahingehend ergeben. Ich halte euch auf dem Laufenden.)

Antwerpen, Sommer 2014

Genauso war es damals, mit 23 in Antwerpen, als ich nicht wusste, wie ich auch nur einen verdammten Pitch verkaufen sollte. Ich habe so lange probiert und weitergemacht und geschrieben und geschrieben, bis es irgendwann klappte und ich gehört wurde. Es war eine spannende Reise, auf der ich unglaublich viel über mich selbst lernen konnte. Wo meine Grenzen sind, sowohl was die Offenbarung des Privaten als auch die mit Arbeit verbrachten Stunden betrifft. Wie ich künftig mein Geld verdienen möchte, und wie nicht. Welche Themen ich nicht mehr machen kann, weil sie mich langweilen. Wie ich als Autorin wahrgenommen werden möchte – und in welchem Ton ich mit anderen spreche. Es ist so viel mehr, als in diesen Blogeintrag alleine hineinpasst.

Und so wird es hoffentlich auch in den nächsten fünf Jahren sein, in denen ich versuchen werde mich in Richtung Film und Literatur zu entwickeln. Ich habe mein erstes Shortfilm-Drehbuch geschrieben, ich werde mir eine neue Kamera kaufen und gemeinsam mit einem kleinen Team an kleinen Projekten arbeiten, die mir hoffentlich einen anderen Zugang zu den Geschichten ermöglichen werden, die ich erzählen möchte. Ich möchte Geschichten erzählen, und weniger Thesen aufstellen. Das erste Buch fertigstellen, das mir die Möglichkeit gibt, weiter auszuholen als zwei A4-Seiten. Da ist so viel in mir, das noch nicht gesagt wurde.

Ich möchte – und das wird weiterhin Fokus meiner Arbeit sein – relevante, hochwertige, stilistisch klar als eigene erkennbare und teilweise auch provokante Inhalte machen, die den Menschen im Gedächtnis bleiben. Die sie zum Diskurs anregen, und Gefühle wecken.

Ich möchte eine Frau sein, die Unbekannte für ihre Leidenschaft respektieren, selbst wenn sie nicht gleicher Haltung sind. Jemand, der weiß, wie er negative Emotionen zum bestmöglichen, literarischen Ergebnis formt, ohne dabei nackt zu sein. Seine Schwächen kennt und sich durch das Wissen über diese unantastbar macht für jene, die nichts Gutes übrig haben. Für niemanden.

Es wird ein langer Prozess werden.
Aber ich freu mich drauf.

Fotocredits: Sophie Kirchner Photography Vienna

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