Ich habe mich lange davor gedrückt, Texte unter meinem richtigen Namen zu veröffentlichen. Nicht umsonst habe ich vor drei Jahren ein Pseudonym für diesen Blog gewählt. Meine Befürchtungen drehten sich um die immer selben Fragen. Was sollen meine Eltern denken? Was soll mein Freund denken? Was sollen meine Arbeitgeber denken? Und die Studienkollegen? Was, wenn ich jemanden vor den Kopf stoße? Und: bin ich überhaupt gut genug? Das, was ich schreiben würde, könnte mich noch in Jahren verfolgen, könnte mir meinen Ruf (welchen Ruf bitteschön, du bist 22 Jahre alt, stupid) verderben und überhaupt, wer sagt, dass ich in 10 Jahren noch zu dem stehen werde, was ich damals publiziert habe?

Es gibt dieses Zitat von Konrad Adenauer, das ich mir immer wieder ins Gedächtnis rufe, wenn die Gedanken nicht abreißen wollen: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ Nun ist es leider trotzdem nicht so, dass man als Autorin geboren wird, dass man von einem Tag auf den anderen das notwendige Selbstbewusstsein hat, um in der Öffentlichkeit zu bestehen, seine Meinung ins Internet hinauszuposaunen und auch noch erwartet, dafür geliebt zu werden. Ganz oft – zum Beispiel am Anfang, wenn man noch diesen merklichen Tick zu jung und naiv ist – wird man nämlich nicht geliebt. Das ist die schwierige Seite – sie zu leugnen wäre heuchlerisch.

Natürlich ist es seltsam, wenn die ersten E-Mails oder Mentions mit Kritik zu deinen Worten eintrudeln. Du fühlst dich besudelt, irgendwie, was weiß diese Person schon über dich? Was erlaubt sie sich, dich aus der Anonymität heraus anzugreifen, wo du immerhin mit vollem Namen zu deinen Worten stehst, für sie einstehst, weil du es zu deinem Beruf gemacht hast – oder machen willst.

Und genau hier kommen wir zu dem Unterschied, was Autoren von Nicht-Autoren oder Möchtegern-Autoren unterscheidet und warum dieser Text so wichtig für mich ist: Wer Dinge unter deinem eigenen Namen publiziert, erarbeitet sich Schritt für Schritt seine Legitimität. Eine Meinung am Stammtisch mit Freunden kundtun, kann jeder. Mit dem vollen bürgerlichen Namen und Gesicht für etwas einzustehen, nicht. Eine Haltung auch noch dann zu vertreten zum Beispiel, wenn das eigene Gesicht darüber klebt – für jeden auffindbar und sichtbar.

Wer denkt, er könne „das doch auch“, soll es einfach mal versuchen und sich einen wordpress Blog mit dem vollen Namen anlegen. Es wird sich die ersten Monate, vielleicht sogar das erste Jahr sehr seltsam anfühlen. Vielleicht wirst du auch Paranoia bekommen und Angst vor deiner eigenen Courage. Vielleicht wirst du aber auch das nächste Mal nachdenken, bevor du in den Kommentarspalten einen Artikel als „dumm und lächerlich“ bezeichnest, ohne eine passende Begründung beizufügen. Ein Selbstversuch, den ich wirklich allen ans Herz lege, die sich als Journo-Experten wahrnehmen, nur weil sie eine Monatszeitung abonniert und einen gut sortierten Facebook-Feed verwalten.

Ich habe ganz lange damit gehadert, unter meinem Namen zu schreiben, weil ich Angst vor meinen eigenen Fehlern hatte. Davor, für diese gelyncht zu werden. Als Person missverstanden zu werden. Als ich 2015 – mit 23 Jahren – anfing, für mehr und minder etablierte Medien zu arbeiten, führte kein Weg mehr daran vorbei. Wer anonyme Meinungen zu Frühstück lesen möchte, kann auf reddit gehen. Wer vom Journalismus leben und nicht für den Rest seines Lebens bloggen will, muss das mit seinem Namen tun. Es ist schlicht ein Zeichen von Professionalität.

Das Ding mit Ängsten ist, dass andere sie riechen und dementsprechend genau dort reinbohren können, wo sie dich erwischen. Seit ich keine Angst mehr vor meiner eigenen Fehlbarkeit und dem Haltbarkeitsdatum der eigenen Gedanken habe, ist vieles besser geworden. Ich bin freier in dem, was ich sage. Ich denke nicht jede mögliche Reaktion durch – weder von redaktioneller noch von privater Seite. Wie sehr würde mich das denn bitte einschränken? Ich habe Respekt vor meiner eigenen Stimme, aber keine Furcht mehr. Ich bin nicht entsetzt über die Dinge, die ich wie viele andere denke und letztlich aufschreibe.

Ich habe Mut zu meinem Markenzeichen gemacht, indem ich zu der stehe, die ich bin. Wie soll jemand meine Ängste gegen mich verwenden, wenn ich sie doch längst offenbart habe?

Ich habe Menschen nie verstanden, die anderen ans Herz legten „sich ein dickeres Fell zuzulegen.“ Wie ein Tier also, das auf den Abschuss wartet? Meine Emotionen sind ein treibender Motor meiner Arbeit und helfen auch bei der Themenfindung. Sie helfen bei der Unterscheidung zwischen richtig und falsch, wenn ich am Aufbau einer Argumentation zweifle. Ich werde einen Teufel tun, um abzustumpfen. Lieber spüre ich jeden Moment, als irgendwann gar keinen mehr. Es ist nicht angenehm, die Kontrolle zu verlieren und Dinge aus dem Kopf zu streichen, auf die man keinen Einfluss üben kann. Aber du bist trotzdem nicht dein Google Search Result. Du bist auch nicht das Medium, für das du schreibst. Du bist deine eigene Person und zumindest bis zur Festanstellung kann dich niemand zum Aushängeschild einer Institution verpflichten, zu der du nicht stehst. Überleg es dir gut. 

Wenn ich heute negative Kommentare lese, denke ich mir nicht viel dabei. Ich sehe es einfach als Meinung einer Person, die meiner Integrität als Person nichts anhaben kann, weil es letztlich drauf ankommt, wie ich mich selbst sehe. Es kommt darauf an, dass ich mich jeden Tag im Spiegel ansehen kann und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben habe, was ich für einen bestimmten Zeitpunkt für richtig hielt. Dass heißt nicht, dass ich unfehlbar bin, natürlich nicht. Aber es heißt, dass ich mich nicht tagelang für einen krummen Satz oder eine böse E-Mail bestrafe. Ich glaube im Übrigen weder an Objektivität noch an Ewigkeit. Meist hilft: einmal durchatmen, einfach drüberschlafen – und schon ist es vergessen.

Und die positive Seite? Je ehrlicher, je echter ich agiere, umso mehr Menschen bekommen ein Gefühl dafür, wer ich bin und was ich transportieren möchte. Das wiederum zieht genau die Frauen und die Auftraggeber an, die eine sogenannte “Haltung” in ihren Magazinen vermissen. Nach Jahren des immergleichen Content-Gedöns ist es vor allem ein Tipp, den ich anderen geben würde: legt euch ein bisschen Persönlichkeit zu. Ich bekomme viel mehr Liebe als Hass, ganz tolle Nachrichten von Menschen, denen ich mit meinen Worten weitergeholfen habe, und wenn sie nur ein kleiner Trost waren. Solche zum Beispiel:

„ich wollte Ihnen einfach nur für Ihren Beitrag zum Klassismus danken. Ihre kraftvolle Wut hat meinen Abend aufgehellt. Es ist schön, dass Sie die Dinge benennen, die da draußen vor sich gehen und es ist schön, dass Sie Armsein beim Namen nennen, ohne es als bemitleidenswertes Problem zu thematisieren.

Beiträge wie Ihren möchte ich öfter lesen!“

Ich werde mir meinen Mund von niemandem verbieten lassen und zeigen, dass Frauen keine Furcht davor haben sollen, zu unangenehmen Themen Stellung zu beziehen. Keine Angst haben sollen, nicht als nett, sondern als angriffslustig zu gelten.

Was nach der Angst kommt, ist Selbstbestimmung. Die Selbstbestimmung über die Rezeption der eigenen Person wird mit jedem Follower und jedem neuen Auftraggeber und jedem qualitativ-hochwertigen Artikel größer, für den man sich nicht unter Wert verscherbelt hat. Ich kann mein Narrativ selbst bestimmen.

Abgesehen von zwei bis drei Themen gibt es nichts mehr, das ich anonym veröffentlichen würde. Warum auch? Statt sich davor anzuscheißen, dass andere alles, was ich unter meinem vollen Namen veröffentliche nachstalken können, sehe ich es als Chance und Privileg, meine Meinung nach außen tragen zu können. Sie tun es nicht.

Was hält euch davon ab, unter eurem echten Namen zu publizieren?
Ich freu mich auf eure Kommentare und Rückmeldungen, sei es auf Instagram, per Kommentar oder E-Mail.

Bianca

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