facepalm7

Vorgestern. Der Mitbewohner hatte fünfzehn (!) Leute zum Essen eingeladen, was zwangsweise damit verbunden war auch die Menschen zum Kommen aufzufordern, die da sonst so wohnen. (Oder sie ungefragt zum Reiskochen einzuteilen, weil man zum falschen Zeitpunkt die Küche betritt und der Herr merkt, dass sich Gulasch für 15 Leute doch nicht so schnell zubereiten lässt, wie erwartet.) So spielt das Leben, wenn man als zuvorkommender Gastgeber nicht riskieren will, dass irgendjemand ab 23 Uhr hungrig aus dem zweiten Stock nach Ruhe schreit. Jedenfalls bin ich im Laufe des Abends mit zwei Architekten ins Gespräch gekommen, die mir einen Tick zu begeistert von ihrer Arbeit erzählten. Es ging nicht die ganze Zeit um Arbeit. Versteht mich ruhig falsch, aber Arbeitsroutinen eines gerade einmal Dreißigjährigen sind ungefähr das letzte, was mich an einem Mittwochabend unterhält. Obwohl das Gespräch für diesen Post essentiell war, werde ich nicht der Vollständigkeit halber auf die außergewöhnliche Weltreise von Wart und den damit verbundenen Selbstfindungsprozess eingehen, versprochen.

Eigentlich wäre der authentischere Titel für den Post „Fragen, die man Bloggern nicht stellen sollte, wenn man sie zwei Minuten kennt, es sei denn man möchte gleichzeitig desinteressiert und unhöflich wirken“. Ich weiß, dass Wart keine bösen Absichten verfolgte, als er mich fragte, warum ich denn „überhaupt blogge“. Er konnte es schlichtweg nicht nachvollziehen, warum jemand in seiner Freizeit unbezahlt Dinge ins Internet stellt, oder noch schlimmer: persönliche Gedanken. Er schlug mir vor, ich könne meine Erfahrungen doch auch in einem Tagebuch festhalten. Er ist damit nicht der Erste, der die Sinnhaftigkeit des Bloggens an sich in Frage stellt. Gemeinsam mit ein paar anderen Fragen, die mir oft entgegengebracht wurden, als ich von meinem Blog erzählte, war Warts Irritation nur der letzte ausschlaggebende Punkt.

Ich habe mich kurzerhand entschlossen, eine kleine Auswahl der unangebrachtesten Fragen zusammen zu stellen, die man Bloggern stellen kann. Wart hat im Übrigen nach meinen Erklärungen die Toilette aufgesucht und ist danach nicht mehr an den Tisch zurückgekehrt. Er ist, so eine laue Vermutung, wahrscheinlich wirklich desinteressiert und unhöflich.

1. Über was bloggst du denn? Bestimmt Mode, oder? (Lachen hier einsetzen)

Selbst wenn ich über Mode bloggen würde, wäre das noch kein Grund mich wegen meiner Erscheinung zu verurteilen und in eine Schublade zu pressen. Woher kommt die Annahme überhaupt? Oh, sie ist eine Frau, sie hat diese-und-jene Haare, trägt dieses-und-jenes, achtet darauf, dass dieses-zu-jenem passt? Farbe-hier-einsetzen Lippenstift und Lidschatten-deiner-Wahl? Klar, weil sie auf ihr Äußeres achtet kann sie gar keine anderen Interessen haben, für das ist sie viel zu Adjektiv-deiner-Wahl (was ich nicht bin).

2. Wieso bloggst du? Also, gibt es da irgendeinen tieferliegenden Grund? Ich meine, du könntest deine Gedanken auch in ein Tagebuch schreiben.

Ja, wir könnten doch alle wieder anfangen, uns zurückzuentwickeln. Wieso zeichnest und berechnest du deine Pläne nicht mit der Hand und einem Taschenrechner statt mit dem Computer? Geht doch genauso, wieso sollte man dafür die heute zur Verfügung stehende Technik nutzen? Ich könnte auch alle Fotos, die ich schieße, ausdrucken und dann in ein Büchlein kleben (was ich teilweise wirklich mache, haha), gemeinsam mit meinen gesammelten Memoiren. Und bitte kommt mir nicht mit: „Oh, Bloggen ist – anders als mein Job – übertrieben selbstreferentiell, das ist alles nur Prestige-Hascherei.“ Selbst wenn es so wäre, ist der Prozess des Bloggens nicht egozentrischer als die Motivation hinter vielen anderen Jobs. Zumindest, wenn man davon ausgeht, dass Arbeit sinnstiftend sein sollte. Wenn du deine Arbeit auf einer eigenen Website präsentierst, um Kunden zu gewinnen oder deine Produkte zu verkaufen, tust du das vermutlich aus demselben Grund, warum Blogger ihre Texte veröffentlichen. Um jemanden zu erreichen. Um etwas beizutragen, in welchem Diskurs auch immer. Um Menschen zu inspirieren, um sie zu unterhalten, um sie zum Nachdenken anzuregen, setze hier deine unique-selling-proposition ein, danke. Und auch, ja, um Geld zu verdienen. Es gibt genug Leute, die bereits eine Karriere „im Internet“ begonnen haben und damit tatsächlich Geld verdienen. Was nicht heißt, dass das der Anspruch oder das Ziel jedeR BloggerIn ist. Diese können ganz unterschiedlich sein.

3. Also du bloggst. Du hast also auch Fans, oder?

Ja, ich bekomme täglich eindrucksvolle Lobpreisungen per E-Mail, das ist der einzige Grund, warum ich jemals angefangen habe zu schreiben.

4. Wie viele Leute folgen dir beziehungsweise lesen deinen Blog?

Die Reichweite eines Mediums ist gleichzeitig der Gradmesser für dessen Qualität, oder? Sieht man auch gut an der Heute und Kronen Zeitung.

5. Achso, und? Wie viele Leute schreiben dir Kommentare?

Ist die Existenzberechtigung meines Blogs erst dann gegeben, wenn sich Menschen dazu aufgerufen fühlen zu kommentieren? Zählt Feedback auch, wenn es persönlich kommt? Wenn ich mir die Probleme etablierter Medien mit der Handhabung von Kommentaren, sowohl below the line als auch innerhalb der Social Media Sphären ansehe, bin ich direkt froh, nicht bekannt zu sein.

6. Hast du viele regelmäßige Besucher?

Ja. Muss ich dir das jetzt beweisen? Was macht es für einen Unterschied für dich? Gut, diese Frage wird vielleicht aus der Not heraus gestellt werden. Ist schließlich nicht so einfach, für “Außenstehende” über Blogging zu sprechen.

7. Wie viel verdienst du dabei? Lohnt sich das auch finanziell für dich?

Nein, und es lohnt sich nicht. Aber, man wird es kaum glauben, nicht alles im Leben wird dir einen 1:1 monetär verwert- und vergleichbaren Output bescheren. Es lohnt sich finanziell auch nicht, Leute gratis mit dem Auto irgendwohin mitzunehmen, deshalb gibt es ja auch blablacar. Man könnte das jetzt als Fortschritt bezeichnen, muss man aber nicht. Nein, es lohnt sich eigentlich nicht finanziell, jemanden ein Kleidungsstück zu schenken oder einfach mal “nur so” selbstlos zu sein.

8. Wieso schreibst du nicht für eine Zeitung?

Weil ich mich im „traditionellen“ Journalismus nicht wohl fühle und keine Lust habe, APA-Meldungen in „objektive“ Kurztexte umzuwandeln oder über Geschehnisse an Orten zu berichten, die ich niemals selbst betreten werde. Ich überlasse es gerne anderen, Artikel mit “Wer kennt das nicht” und weiteren, wahnsinnig individuellen Phrasen einzuleiten.

9. Und wie willst du deine Bekanntheit steigern, du willst das doch irgendwann professionell machen?

Muss ich meine Bekanntheit steigern? Ich denke, dass man auch unabhängig vom Bekanntheitsgrad als BloggerIn hohe Qualitätsstandards haben kann, wenn man sich diese selbst setzt. Gerade weil alles unter deinem eigenen Namen auf deiner eigenen Homepage veröffentlicht wird, muss man dreifach vorsichtig sein. Jeder Satz muss (eigentlich) sitzen, es fällt mir oft schwer, überhaupt etwas zu veröffentlichen, weil ich es noch nicht für gut genug befinde, aber dennoch weiß, dass ich weitermachen und Texte veröffentlichen muss, um besser zu werden.

10. Bloggen ist keine richtige Arbeit. Was machst du um deine Miete zu bezahlen?
Solange ich kein Geld dafür bekomme, ist es keine Erwerbsarbeit, richtig. Nichtsdestotrotz steckt jede Menge Arbeit dahinter. Ich habe andere Jobs, die es mir ermöglichen, in meiner „Freizeit“ bloggen zu können. Gleichzeitig tragen diese Jobs dazu bei, dass ich etwas habe, worüber ich schreiben kann. Einerseits durch die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, andererseits durch die Inhalte, die ich selbst für das Halten eines Tutoriums erarbeiten muss.

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