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,,Sexiest Men Alive“ haben es nicht einfach. Erst pushen sie ihre Hollywood-Karrieren durch nackte Oberkörper, Men’s Health Cover und Romantik Komödien wie „Wedding Planer“ (Jennifer Lopez) oder „Zum Ausziehen“ verführt (Carry Bradshaw) und wundern sich anschließend, dass sie in bestimmten Genres niemand wirklich ernst nimmt.Nein, erst gar nicht sehen will! Es muss eine Strafe sein, „gut“ auszusehen.

Meinen persönlichen Gipfel der Unzumutbarkeit verkörpert die Produktion mit Kate Hudson, „Wie werde ich ihn los in 10 Tagen“. Trotzdem zweimal gesehen. James Berardinelli schrieb dazu auf Reel Views: „McConaughey sieht aus wie ein ausgebrannter Surfer, der dringend eine Dusche, eine Rasur und einen Haarschnitt benötigt.“ Der Spiegel packt den Satz „Früher galten Sie als männliche Pamela Anderson, als Posterboy der Romantic Comedies“ gar in eine aktuelles Interview. Abgesehen vom ultraseichten Plot und der klischeehaften Darstellung einer hypersensiblen und gleichzeitig karrierefixierten Frau im „Frauen-Journalismus“, gab es aber durchaus unterhaltsame Momente.

Das hier wird kein facettenreiches Portrait McConaugheys, nur dass wir uns nicht missverstehen. Es ist mehr eine Ansammlung verblasster Erinnerungen an Filme, in denen der Neo-Oscargewinner bislang mitspielte. Rollen, mit denen ich ihn assozierte. Ah, der Frauenschwarm, der Gutaussehende, der Sportler und CEO. Mit „bislang“ meine ich den Zeitraum bis zu „Dallas Buyers Club“. Seine Fertigkeiten in Filmprojekten ab 2006 kann ich leider nicht beurteilen, da mich die Scham über mein vergangenes Rezeptionsverhalten davon abhielt, ihm jemals wieder eine Chance zu geben.

Bis vorgestern. Die authentische Nachahmung des Südstaatenakzents von Ron Woodroof schien dem in Texas geborenen McConaughey nicht schwer zu fallen. Er verinnerlichte ihn gar so gut, dass ich bis zur Hälfte des Films nichts – aber auch wirklich rein gar nichts – verstanden hatte. Stattdessen saß ich mit offenem Mund vor der Leinwand, zwickte den Menschen neben mir und sagte immer und immer wieder: „Nein, das kann nicht Matthew McConaughey sein!“ All meine Vorurteile hinsichtlich seines nicht vorhandenen Talents wurden in diesem Moment schmerzhaft auf mich zurückprojiziert. Ich schämte mich schon wieder wegen dir, Matthew. Mit dem grinsenden Verständnis der Überlegenheit ging ich ins Kino. Doch mit jeder voranschreitenden Minute des Films wurde aus dem Grinsen Bescheidenheit, zuletzt: Anerkennung. Du hast dich selbst übertroffen. Und meine Erwartungen.

Kurz zum Plot: Nach einem Arbeitsunfall und dem darauffolgenden Krankenhausaufenthalt erhält der Elektriker Ron Woodroof die Diagnose HIV. Zuerst will er die Nachricht nicht akzeptieren – als homophober Grobian kann es ihn ja gar nicht treffen! Statt sich mit dem in der Klinik angebotenen AZT behandeln – oder eher vergiften zu lassen – versucht er alternative Medikamente. Diese helfen ihm so gut, dass er es sich zur Aufgabe macht, auch andere Betroffene in Amerika damit zu versorgen. Er beginnt Medikamente aus Mexiko nach Texas zu schmuggeln und gegen die FDA (Food and Drug Administration) anzukämpfen. An den Grenzkontrollen lässt er sich allerlei Geschichten einfallen. Mal ist er Arzt, mal Priester. Unterstützung erhält er dabei von Dr. Eve Saks, gespielt von Jennifer Garner. Auch letztere (bekannt durch Filme wie ,,Dreißig über Nacht”) überrascht durch eine differenzierte Herangehensweise. Nachdem Ron die Diagnose erhält, rät ihm Dr. Saks zunächst eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen. Ron erwidert wenig begeistert: “I am dying – and you’re telling me to get a hug from a bunch of faggots.” Ein charakteristischer Satz McConaugheys Figur, die zu Beginn keinesfalls Sympathieträger ist. Koks, Sex und Rodeo prägen Rons Leben in ungefähr dieser Reihenfolge. Nach der Diagnose wenden sich alle Freunde ab. Ron beschließt, sich umzubringen – bevor er sein Leben ändert.

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Warum wird McConaughey so wenig zugetraut? Hat er uns schlichtweg getäuscht, indem er uns lediglich annehmen ließ, dass er der ist, den wir auf der Leinwand sehen? Haben wir es uns in der Täuschung bequem gemacht, weil wir insgeheim das Sonnyboy-Popcorn-Strand Kino lieben? Obwohl er sich in den vergangenen Jahren mit einer Reihe von Rollen – in William Friedkins ‘Killer Joe’ oder Steven Soderberghs ‘Magic Mike’, oder als Homosexueller in den Sechzigern, in ‘The Paperboy’ – schon sehr erfolgreich von seiner Karriere als Teenieschwarm verabschiedet hat, nimmt Hollywood seinen Wandel zum Charakterdarsteller gerade erst zur Kenntnis. Aus den üblichen Gründen: Weil er Mut zur Hässlichkeit beweist, weil er einen spielt, der nichts mit ihm selbst zu tun hat, und – ganz wichtig – weil er sich für die Rolle fast bis zum Skelett heruntergehungert hat“, schreibt die sueddeutsche.de.

Der Wandel vom Sunnyboy zum ernsthaften Charakterdarsteller scheint offiziell vollzogen zu sein. Mit 44 Jahren ist Matthew McConaughey dort angekommen, wo man ihn vor einigen Jahren niemals erwartet hätte. Wer weiß, vielleicht werden es ihm Adam Sandler („Chaot”), Owen Wilson („Beachboy”) oder Ben Stiller („Tollpatsch”) gleichtun. Vielleicht sogar in diesem Moment.

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